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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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oder von seinen Leidenschaften verzehrten Menschen. Es war auch nicht mehr der melancholische, in seine Welt der Träume und Einbildungen verlorene Gentleman. Der Mensch, der mir jetzt gegenüberstand, war ein Mann von größter Willenskraft, von Berechnung und kalter Vernunft, und erstellte sich meinen erstaunten Ohren als Mister William Quartermain vor. Dann erzählte er mir die Geschichte -«
    »Noch eine?« fragte Jury und wickelte auch noch einen Streifen Kaugummi aus. Er grinste Melrose an, der ihn ignorierte.
    »Wir befanden uns wirklich im Wohnsitz eines M. P-, aber dieser Mann war es nicht. M. P- lag tot in einem Vorzimmer auf einem der unteren Stockwerke des Hauses. Ermordet - von einem eifersüchtigen Ehemann.«
    »Hier bricht die Geschichte ein bißchen ein«, sagte Jury.
    Wiggins schaute seinen Superintendent vorwurfsvoll an.
    »Und wir verpassen unser Flugzeug, wenn Poe das hier nicht in den nächsten zehn Minuten unter Dach und Fach bringt.«
    Melrose ignorierte, daß Jury mit völlig übertriebenen Gesten immer wieder auf seine Uhr deutete.
    »- eifersüchtigen Ehemann.«
    Ich fürchtete mich beinahe zu fragen und fürchtete auch die nur zu offensichtliche Antwort: aber trotzdem sagte ich: »Und die Ehefrau?« - »Tot«, war das einzige Wort, das er mir zur Antwort gab -
    »Fechten sie immer noch?« Ellens Stimme kam aus ihrer Armbeuge, da hatte sie den Kopf hingelegt. »Und quasseln die ganze Zeit dabei?«
    »Ich schlafe auch nicht ein, wenn Sie in einer Tour über Sweetie und Maxim quasseln«, sagte Melrose äußerst gereizt.
    »Ich schlafe nicht«, sagte sie mit traniger Stimme. »Ich ruhe mich aus. Ich habe gestern abend nur einen psychopathischen Mörder bei Laune gehalten, wenn Sie sich erinnern wollen.«
    Wiggins war verzweifelt, weil Jury und Ellen dauernd störten, und sagte zu Melrose: »Bitte lesen Sie weiter, Sir.«
    Melrose fuhr fort, legte aber einen kleinen Zahn zu: »Hier wirkt es ein bißchen zusammengeschustert. Poe -«
    »Beverly Brown, meinen Sie«, sagte Jury.
    »Ja. Beverly Brown muß ein paar Probleme gehabt haben. Unser Erzähler war so etwas wie der Sündenbock für Quartermain. Er wollte ihn als den Schuldigen hinstellen, ist meine Vermutung. Aber jetzt kommt die Überraschung«, sagte Melrose munter.
    Mein lieber M. S-
    »Wer ist S.?« fragte Wiggins.
    »Der Erzähler.«
    Es lag nie in meiner Absicht, Sie so leiden zu lassen, und stünde es nur in meiner bescheidenen Macht, ich käme Ihnen zu Hilfe. Aber ach, ich vermag es nicht. Wer würde mir Glauben schenken?
    An dem Tag, als mein Gatte Sie in den Tuilerien ansprach, hatte ich bereits vor dem Morgengrauen meine Flucht bewerkstelligt und war aus jenen Räumen geflohen, als sei mir der Leibhaftige auf den Fersen. Denn ich wußte, ich war sicher, daß mein Mann, fände er mich, mich umbringen würde. Oh! Sie können sich nicht vorstellen, in welche Anfälle wahnhafter Leidenschaft er sich steigern konnte, und nun, da er meinen geliebten Hilaire gemordet hatte, würde er mir keine Ruhe und keinen Frieden gönnen, außer der Ruhe des Todes.
    »Bricht wirklich ein«, sagte Jury und gähnte. Melrose schaute ihn böse an.
    - Ruhe des Todes. Elend und voller Todesangst begab ich mich eilends in einen anderen Teil des Hauses, weil ich hoffte, er würde nie argwöhnen, daß ich in Sichtweite blieb. Denn ich war es, Monsieur, die Sie an dem Fenster auf der anderen Seite des Hofes gesehen haben. Aber nun bin ich geflohen, um nie wieder zurückzukehren. Nachdem ich von Ihrer Arretierung durch die Sûreté gelesen hatte, hatte ich das Gefühl, ich müsse Ihnen schreiben.
    Sie mögen diesen Brief verwenden, in welcher Weise es Ihnen genehm erscheint. Sollte er Ihre Unschuld in dieser Affaire beweisen, würde mich das wieder froh stimmen.
    In Sorge und Dankbarkeit verbleibe ich, Violette Pontorson
    Rasch schoß Ellens Kopf hoch. »Was? In dem Scheißfenster auf der anderen Seite des Hofs war gar kein Gesicht.«
    Melrose spitzte die Lippen. »Die Vorhänge bebten, daran erinnere ich mich genau - als sähe ich eine Hand, die gleichfalls einen Vorhang zur Seite hielt.«
    »Na und? Jetzt sollen wir glauben, Violette war die ganze Zeit da und hatte sich in den Vorhängen verfangen? Bla-aah!« Während sie dieses häßliche Geräusch ausstieß, ließ sie den Kopf erneut wie einen Stein auf die verkreuzten Arme fallen.
    »Also hat Violette all die Briefe geschrieben?« fragte Wiggins. »Da bin ich aber auch der Meinung, das kommt sehr

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