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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ewig und drei Tage durchs Moor latscht? Natürlich.« Jury betastete den nicht weniger schrillen Einband. »Was lesen Sie?«
    »Eine neue Onions. Falls ich nicht einschlafen kann.«
    In der Lounge, in der sie auf ihren Aufruf warteten, saß eine Frau mit üppiger Haarpracht, kaute Kaugummi und las einen Liebesroman, umgeben von ihren Lieben: einem Baby im Tragekorb und zwei Kleinkindern. Melrose ließ sich auf einen Starrwettbewerb mit den mondgesichtigen Knirpsen ein, einem Jungen und einem Mädchen mit eiskalten Augen. Schließlich streckte ihm das Mädchen die Zunge heraus. Die Mutter sah es und gab ihr postwendend einen Klaps.
    »Die Bande sitzt garantiert vor uns, warten Sie’s nur ab.«
    »Hmm«, murmelte Jury und blätterte eine Seite in Joannas Buch um.
    Wiggins achtete auch nicht weiter darauf, er verarztete sich gerade mit Nasentropfen. Er schniefte und ließ den Kopf nach hinten fallen. Melrose seufzte.
    Während eine Bodenstewardeß die Erste-KlasseFluggäste zu Champagner und komfortablen Plätzen bat, fragte Jury Melrose: »Warum fliegen Sie eigentlich Touristenklasse? Aus Rücksicht auf Ihre bettelarmen Gefährten?« Lady Cray hatte ihm nahegelegt, Erster Klasse zu fliegen; Jury war losgezogen und hatte Touristenklasse gebucht.
    »Nein, mir gefallen die Filme in der Ersten Klasse nicht. Ich plane meine Flugreisen immer nach den Filmen. Es ist eine der seltenen Gelegenheiten, daß ich ins Kino komme.«
    Sie waren aufgestanden und zu den Sperren gegangen. »Immer?« fragte Jury. »Sie fliegen doch nie irgendwohin.«
    »Wie bitte? Und wer ist bis nach Venedig geflogen?«
    »Was gibt’s denn für einen Film?«
    »Lassen Sie sich überraschen.« Melrose wußte es nicht.
    »Ich sitze nicht in der Mitte«, sagte Wiggins.
    »Ich sitze nicht in der Mitte«, sagte Melrose.
    »Aufhören zu streiten«, sagte Jury, als sie ihre Bordkarten zeigten.
    Wiggins und Plant drehten sich zu Jury um und lächelten.
    »Schon gut«, sagte Jury.
    Sie gingen durch die Sperre.
    Die Passagiere schwatzten und lachten aufgeregt und würden sich vermutlich schon an die Gurgel gehen, bevor das Abendessen serviert wurde. Melrose beobachtete die Stewardeß. Er empfand Mitleid mit ihr, wie sie ihre orangefarbene Schwimmweste anpries und so tat, als fiele eine Sauerstoffmaske von oben herab, die sie ihrem unaufmerksamen Publikum anempfahl. Wenigstens sah Wiggins der jungen Frau gespannt zu und ließ sie wissen, daß ihr Unterricht nicht vergebens war. Er tat es ihr sogar nach, las die gedruckten Anweisungen für den Fall eines Notausstiegs oder Sauerstoffverlustes, überprüfte umsichtig seine, Mel-roses und Jurys Papiertüte und nahm sie in sichere Verwahrung.
    Jury saß am Fenster, Melrose am Gang, Wiggins in der Mitte. Melrose hatte ihn des langen und breiten mit Statistiken aus einem Bericht bombardiert, die unwiderleglich bewiesen, daß im Fall eines Unglücks der Fluggast am ehesten unverletzt blieb, der links in der Mitte saß. Der auf dem Fenstersitz würde am ehesten nicht überleben. Ein Blick aus vier Augen auf Jury, aber der las sein Buch und ließ sich nicht stören. Wiggins allerdings wollte von Plant wissen, warum die linke Seite sicherer sei als die rechte. Melrose überlegte einen Moment und erwiderte, es habe etwas mit der Windgeschwindigkeit zu tun.
    Als die Maschine abhob und an Höhe gewann, kam Melrose seine prekäre Lage zu Bewußtsein und er umklammerte die Sitzlehnen. Dieses riesige Flugzeug mit seiner Ladung unschuldiger Opfer an Bord war im Begriff, die Gesetze der Schwerkraft herauszufordern. Keiner seiner Nachbarn schien sich darüber im klaren zu sein: Die alte Frau mit dem lieben Gesicht auf der anderen Seite des Gangs klapperte mit den Stricknadeln und vergrößerte langsam, aber stetig den Umfang eines weißen Kleidungsstücks - vermutlich eines Leichentuchs; ein Lederjackenpaar einige Sitze weiter lag schon schlafend in inniger Umarmung, der Bursche mit offenem Mund schnarchte leise. Wie in Gottes Namen konnte man jetzt schlafen? Und neben ihm hatte selbst Wiggins die Augen geschlossen, die Hände im Schoß gefaltet und den Kopf gesenkt, als meditiere er. Plötzlich durchbrach das Flugzeug die Wolkendecke und flog in blendende Helligkeit hinein.
    Als die Stewardeß den Getränkewagen klappernd durch den Gang schob, schlug Melrose die Augen auf. Dem Herrn sei Dank. Jury nahm ein Bier, Wiggins eine Diätcola und er zwei Miniflaschen Whisky und eine Büchse Mineralwasser.
    So ausgerüstet, schlug er die

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