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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Gesicht, runzelte die Stirn. »Ist es nicht merkwürdig, zum Wash zu fahren?«
    »Ausgesprochen.«
    »Wieso fiel die Wahl auf diesen Ort? Was glaubt die Polizei in Lincolnshire?«
    »Damit die Leiche nicht so schnell entdeckt wurde. Da gehen die Leute nicht hin. Es ist keine besonders schöne Gegend, die die Touristen in Massen anzieht. Zum einen ist es ziemlich gefährlich, weil dort immer noch Minen aus dem Zweiten Weltkrieg herumliegen. Zum anderen ist die Stelle wegen der Gezeiten und des Treibsands geeignet. Da hätte die Leiche auch schnell zugedeckt werden können.«
    Wieder schaute sie die Skizze an. »Was meinen Sie? Könnte sie es getan haben?«
    Jetzt war er an der Reihe zu schweigen. Eigentlich hätte er die Frage sofort als zu lächerlich abweisen müssen. Aber er konnte es nicht. Chief Inspector Bannen fand es ja keineswegs lächerlich.
    »Um ehrlich zu sein - ich weiß es nicht.« Er schaute zum Tresen und sah die große Uhr mit den Palmenzeigern. Überrascht bemerkte er, daß es schon fast sieben war. »Hören Sie, würden Sie gern zu Abend essen?«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ach, das ist sehr nett von Ihnen, aber ich habe schon gekocht. Obendrein zu einer besonderen Gelegenheit. Jemand hat Geburtstag.« Sie griff zu Mantel und Schal.
    »Dann möchte ich Ihnen wenigstens anbieten, Sie nach Hause zu fahren.« Warum war er regelrecht eingeschnappt, daß er nicht zu der Party geladen wurde? Sie hatte auch das Geschlecht des Jemand nicht erwähnt. Er stand auf und ging um den Tisch herum, als sie sich mühsam erhob. Allerdings schaffte er es, ihr nicht den Arm anzubieten, damit sie sich darauf stützte. Er nahm ihr den Mantel ab und half ihr hinein.
    »Dazu muß ich auch nein sagen. Sehen Sie, ich muß laufen. Das ist ja einer der Gründe, warum ich hierherkomme.«
    Er war wahrhaftig gekränkt.
    »Kann ich die Seite mitnehmen?« Sie nahm das Notizbuch. »Über dieses Rätsel würde ich gern noch ein bißchen nachdenken.«
    »Natürlich.« Melrose riß das Blatt heraus und gab es ihr.
    Sie drehte es um. »Auf der Rückseite sind noch Notizen. Brauchen sie die?«
    »Nein, sie nützen mir jetzt nicht mehr viel.«
    Sie runzelte leicht die Stirn und las vor: »>The Red Last<. Was ist >The Red Last    »Ein Pub in Lincolnshire. Das heißt, es war einmal eins, muß eins gewesen sein. Jetzt sieht es eher aus wie ein Privathaus. Einer dieser so beliebten schrägen Kneipennamen. Offenbar weiß keiner mehr, was es bedeutet. Es hat vielleicht was mit Schuhen zu tun. Mit dem >Leisten< eines Schusters.«
    Einen Moment schaute sie in die Dämmerung. »Oder mit >last<, >zuletzt<.«
    »Wie bitte?«
    »>Zum Schluß<, wissen Sie, >zuletzt<, als wenn man sagt: >Die Frauen zuerst, die Männer zuletzt< oder >Die Weißen zuerst, die Roten zuletzt<.« Sie schaute auf das Blatt Papier.
    Melrose war erstaunt. »Meine Güte, natürlich. Warum bin ich nicht darauf gekommen?«
    Sie zuckte die Achseln. »Wenn man sich einmal auf eine bestimmte Bedeutung versteift, kriegt man sie kaum wieder aus dem Kopf. Wenn Sie jemand bittet, das Pendant zu >Mutter< zu sagen, sagen sie >Vater<. Die Antwort könnte genausogut >Schraube< lauten. Zu einer Schraube kann eine Mutter gehören.«
    »Was für eine glänzende Idee!« Es erinnerte ihn an etwas, aber er wußte nicht, was. Sie gingen zur Tür. Draußen verabschiedete sie sich von ihm. Melrose stand da, lehnte sich an den Türgriff und sah zu, wie sie langsam über den holprigen Weg davonging. Und dann fiel ihm plötzlich ein, daß er ihren Namen immer noch nicht kannte. Er richtete sich auf und rief ihr hinterher. »Haben Sie was dagegen, wenn ich Sie Nancy nenne?«
    Sie drehte sich um und überlegte. »Nein, aber ich heiße Flora.«
29
    »Chief Inspector Bannen, würden Sie dem Gericht bitte schildern, was Sie vorfanden, als Sie am Schauplatz -« Oliver Stant zeigte auf zwei große Fotos, eins von einem Teil des Wash und eins von dem Abschnitt, wo Verna Dunns Leiche gefunden worden war.
    Außerhalb der Mauern von Lincoln Castle, wo das Gericht zusammengetreten war, war die Luft weich und seidig an diesem Vorfrühlingstag. Ein scharfer Kontrast zu dem trostlosen, kalten Inneren des Gebäudes. Es herrschte eine Atmosphäre, die geprägt war von der Anspannung, den Enttäuschungen und dem Kummer der Mühseligen und Beladenen, deren Angelegenheiten hier verhandelt wurden. Sofort bei seinem Eintreten hatte Melrose die Traurigkeit empfunden, die die Korridore verströmten.
    Bannen

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