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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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gewinnt.« Über die Schulter sagte er: »Bin gleich wieder da. Bitte nehmen Sie doch einstweilen Platz.« Nervös setzte sie sich auf den Besucherstuhl.
    Um sich abzulenken, musterte sie den überladenen Schreibtisch des Regisseurs, auf dem sich eine Unmenge von Briefen, Notizen, Kostenaufstellungen, Büchern befanden - Poes Erste Erzählungen, Grotesken, Arabesken, Detektivgeschichten, mehrere Arbeiten von Dickens und Thomas Dixons The Clansman, ein Roman, den ihr Vater verabscheute, weil er den Ku-Klux-Klan verherrlichte.
    Eine Stimme hinter ihr ließ sie herumfahren. »Tut mir leid, meine Liebe. In letzter Minute kommen immer noch unvorhergesehene Dinge, die erledigt werden wollen.« Griffith war fast ein Meter achtzig groß und Anfang dreißig. Er hatte dichtes braunes Haar, lange, volle Koteletten, eine scharfe Nase. Er erinnerte Fritzi an den Julius Cäsar ihrer Schulbücher. Im Gegensatz zu den größtenteils nachlässig gekleideten Mitarbeitern der Biograph Company trug er einen Anzug, Weste, Krawatte, Eckenkragen.
    Er setzte sich, schlug die Beine übereinander und musterte sie aus tiefliegenden blauen Augen. »Und jetzt zum Geschäft, meine Liebe. Billy Bitzer sagte mir, Sie seien Schauspielerin.«
    »Ja. Hier sind ein paar Sachen, die ich gemacht habe.«
    Er studierte den Inhalt der Pappendeckelmappe. »Ich habe gehört, daß die Aufführung von Macbeth ganz abscheulich gewesen sein soll.«
    »Das ist fast noch zu milde ausgedrückt.«
    Er lächelte. In seinen Stuhl zurückgelehnt, musterte er sie eingehend. Von seinen Augen mit den schweren Lidern ging etwas Hypnotisches aus. Er schien das Schreien, Hämmern, Klopfen und Fluchen auf der anderen Seite der Leinwand vollkommen vergessen zu haben.
    »Erzählen Sie mir etwas über sich, Fritzi. Ich hoffe, Sie verzeihen mir, daß ich Sie mit ihrem Vornamen anspreche. Beim Film gibt es weniger Formalitäten als bei der Bühne.« Abgesehen davon, daß man ihn, soweit Fritzi bisher gehört hatte, nur mit Mr. Griffith oder Chef anredete.
    Sie fing bei Mortmain an. Mit geschickt gestellten Fragen entlockte er ihr das Wesentliche. Er sprach einen südlichen Dialekt, kam aber sicher nicht aus einem der Baumwollstaaten, eher aus dem nördlicheren Kentucky oder Tennessee. Dabei spielte er unablässig mit seinem großen, reichverzierten Ring: Silber mit schwarzem Email, in das eine ägyptische oder orientalische Figur eingelassen war.
    »Danke«, sagte er, als sie fertig war. »Bitte nehmen Sie es nicht persönlich, wenn ich Ihnen sage, was ich allen Bewerbern sage, die von den edlen Gestaden der Theaterbühne zu uns kommen - wo ich übrigens vor langer Zeit auch gestanden habe. Filmfirmen, vor allem diese hier, mögen keine Bühnenschauspieler, die nur schmarotzen.«
    »Mr. Griffith, es ist mir sehr ernst damit, im Filmgeschäft zu arbeiten. Ich habe zwar keine Erfahrung, aber ich lerne sehr schnell.«
    »Sehr gut, das hätten wir also geklärt. Die meisten, die hier landen, stellen fest, daß die Arbeit angenehm und manchmal sogar aufregend ist. Die Bezahlung ist gut, fünf Dollar pro Tag, für Hauptdarsteller und Statisten gleichermaßen. Man muß sich keine Texte merken, obwohl ich von meinen Schauspielern verlange, daß sie sich für jede Szene einen passenden Text ausdenken. Leute, die von den Lippen lesen können, haben uns schon des öfteren bei Unstimmigkeiten ertappt. Wir arbeiten viel im Freien, was der Gesundheit natürlich förderlich ist. In Kürze werden einige Mitarbeiter der Firma sogar die laue Luft Kaliforniens genießen können. Wir filmen dort so lange, bis im Frühjahr auch hier die Sonne wieder scheint.« Fritzi kam zu dem Schluß, daß »großspurig« das Wort war, das am besten auf ihn paßte.
    »Bitte stehen Sie auf, Fritzi.«
    Etwas unsicher erhob sie sich. Er holte zwei Silberdollar aus seiner Hosentasche und ließ sie von einer Hand in die andere gleiten und wieder zurück, klick, klick.
    »Drehen Sie sich zu mir um. Ja, so ist’s gut. Noch mal drehen, bitte. Und jetzt hinsetzen. Aufstehen. Jetzt bitte traurig aussehen. Jetzt verwandelt sich die Trauer in Glück.«
    Sie befolgte jede seiner Anweisungen und kam sich dabei vor wie ein dressierter Affe.
    »Jetzt zeigen Sie mir freudige Erregung. Gut so. Belustigung. Ärger - oh, sehr gut. Haß. Ausgezeichnet!« Ohne Übergang stand er plötzlich auf, streckte die Hand aus und berührte sanft die Stelle unter ihrem Busen. »Haben Sie heute abend schon etwas vor? Wir könnten alles weitere beim

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