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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sobald er über den breiten Korridor verschwunden war, trat Fritzi vor und warf einen Blick hinein.
    Was sie da sah, hätte der Ballsaal eines ehemals noblen Stadthauses sein können, groß genug war er auf jeden Fall. Grelle Bogenlampen, die an Deckenlatten hingen, erhellten den Raum. Eine Reihe glühender, violetter Röhren auf dem Fußboden warfen ein diffuses Licht auf eine sonderbare Szenerie. Vor ihren Augen ging eine Kulisse in die Höhe, eine Wand mit aufgemalten Tisch und Stühlen vor einer ebenfalls gemalten, ziemlich gräßlichen Landschaft. Neben der ersten Kulisse tauchte eine zweite auf, die von unsichtbaren Händen an die erste angefügt wurde, während unsichtbare Hämmer unsichtbare Nägel in unsichtbare Leisten trieben.
    Eine echte Tür ging in der Kulisse auf; ein Mann mit zwei Blumentöpfen trat heraus. Ein Helfer rollte einen unechten türkischen Teppich aus, dem eine ganze Wolke von Staub entstieg. Auf der Seite stand ein Schreiner neben einem Holzbock und sägte mit rasender Geschwindigkeit ein paar Bretter zurecht. In einer anderen, wenig beleuchteten Ecke riß eine Garderobenfrau Kleidungsstücke aus einer Kiste und fluchte: »Verflixt und zugenäht, wo ist das verdammte Ding?«
    Eine junge Frau in einem orientalisch anmutenden Pyjama rempelte Fritzi von hinten an. Dann fragte sie einen untersetzten Mann mit Strohhut: »Ist das Make-up in Ordnung, Billy?« Das Gesicht des Mädchens war mit goldener Schmiere vollgekleistert; sie sah aus, als litte sie an Gelbsucht im Endstadium.
    »Ganz sicher nicht. Die Lippen sind zu stark geschminkt. Ihr Frauenzimmer scheint andauernd zu vergessen, daß Rot immer als Schwarz rauskommt. Hallo«, rief er, als er Fritzi bemerkte. »Guten Morgen. Sie haben’s geschafft!«
    »Ja, Mr. Bitzer, danke«, gab sie zurück. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, daß ...«
    »Alles klar. Ich hab’s leider eilig. Viel Glück!«
    Der Mann im Sportpullover kehrte zurück und winkte sie näher. Sie folgte ihm in einen großen Raum.
    »Mr. Griffith ist in einem Gespräch. Gehen Sie da rein und warten Sie, bis er Sie anspricht. Dort drüben, in der Ecke. Treten Sie bloß nirgends drauf!«
    Halb blind von den vielen Lichtern, blinzelte sie, bis sie eine Leinwand sah, auf der goldene Pfauen prangten. Eine dritte Kulisse näherte sich wackelnd ihrem Platz; sie stellte ein geschmackloses Wohnzimmer dar. Billy Bitzer war damit beschäftigt, die Linse seiner Kamera zu polieren und rief mit lauter Stimme jemandem etwas zu, während der Schreiner einen anderen anschrie und die Garderobenfrau immer stärker fluchte und weitere Kleidungsstücke aus der Kiste riß. In was für ein verrücktes Haus war sie da bloß geraten? Fritzi hatte angenommen, daß Studios, in denen man stumme Filme drehte, stumm, also still wären.
    Hinter der orientalischen Leinwand hörte man die Baritonstimme eines Mannes, die fast so wohltönend war wie die von Hobart. »Ich hab’s satt, jede Woche ins Büro zitiert zu werden, um mir anzuhören, wie ich meine Filme schneiden soll.«
    Immer noch in der Nähe der Leinwand, strich Fritzi sich das Haar glatt, knöpfte ihre Jacke auf, glättete ihre Bluse. Das mußte Mr. Griffith sein.
    »Wenn wir eine Szene in Raum A beenden, schwenken wir direkt zu Raum B über. Es ist vollkommen unnötig, daß wir zeigen, wie die Schauspieler von A nach B gehen. Die Schwachköpfe kapieren’s nicht, weil jeder andere Regisseur zeigt, wie die Schauspieler von A nach B gehen. Verdammte ungebildete Yankees! Noch nie eine Zeile von Dickens oder einem anderen großen Schriftsteller gelesen.«
    Sich innerlich wappnend, trat Fritzi um die Leinwand herum in ein Büro, dessen Funktion an einem Schreibtisch, zwei Drehstühlen und einer Klemmlampe ersichtlich war. Ein großer, würdevoller Mann sprach mit dem kräftigen jungen Iren, der sie auf der Veranda gegrüßt hatte.
    »Vielleicht sollte ich mich nach einem anderen Studio umsehen. Oh, guten Morgen, meine Liebe!«
    »Mr. Griffith?«
    »Ja, ich bin David Griffith. Das ist Mike Sinnott, einer unserer Schauspieler, der gerne Regie führen möchte.«
    »Nur in meinem eigenen Film, Chef.« Sinnott deutete eine leichte Verbeugung in Richtung Fritzi an. »Nett, Sie kennenzulernen.«
    »Ganz meinerseits.«
    Griffith drängte Sinnott an die orientalische Leinwand. »Sie machen Ihre albernen Komödien, und ich mache meine Fünfspuler, in denen ich genügend Zeit habe, eine richtige Geschichte zu erzählen, und dann werden wir sehen, wer

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