Fremde Federn
vollgestopft mit gutem Essen, und ihr Herz war warm vor Zuneigung für ihren großen Freund; beim Hinausgehen ergriff sie seinen Arm. Die kalte Nachtluft brachte Hobarts Nase wie eine Christbaumkugel zum Leuchten. Der Wind, der die Zweiundvierzigste Straße entlangfegte, wirbelte ein paar Schneeflocken auf. Hobart begleitete sie zu den Stufen, die zur Hochbahn führten, dann umarmten sie sich und wünschten einander Glück. Sie versprachen, sich so bald wie möglich wiederzusehen.
»Sie sind ein reizendes Mädchen, Fritzi. Wenn ich jünger wäre und, mmh, dem weiblichen Geschlecht in anderer Weise zugetan, würde ich Ihnen auf der Stelle einen Heiratsantrag machen.«
Fritzi gab ihm einen Kuß und lief die Treppe hinauf. Hobart entfernte sich würdevoll in einer Schneewolke, die im Schein der Straßenlaterne leuchtete.
37. VERDECKTE FIRMA
Der frühe Dienstagmorgen war dunkel und neblig. Fritzi war von der ersten wachen Minute an ein einziges Nervenbündel, und zu allem Überfluß hatte sie noch schreckliche Bauchschmerzen. Am Vorabend hatte sie in einem Lokal - »Tische für Damen, angenehme Atmosphäre« - um die Ecke gegessen. Angefangen hatte sie mit einer Bohnensuppe, als Hauptspeise hatte sie Leber mit Zwiebeln bestellt. Beides hatte ihr ausgezeichnet geschmeckt, aber die Nachwirkungen waren schrecklich. In ihrem Magen gluckerte es wie in einem alten Abflußrohr.
Sie erreichte die Fähre um Viertel nach sechs. Nach und nach traten andere Schauspieler aus dem Nebel, die sie entweder eingehend musterten oder ihr zwanglos zunickten. Ein hübsches schwarzes Mädchen in einem dünnen Wollmantel gesellte sich zu ihnen. Sie hatte ein freundliches Gesicht, blieb jedoch in einiger Entfernung von den anderen für sich. Sie zitterte am ganzen Leib.
Lichtstrahlen bohrten sich durch den Nebel: die grellen Scheinwerfer eines Stoddart-Dayton. Am Steuer saß Eddie Hearn, auf dem Beifahrersitz ein schmächtiger, rotgesichtiger Mann mit hohem Stehkragen und gemustertem dunkelgrauem Doppelreiher. Er hatte wunderschönes, dichtes weißes Haar und einen schmallippigen Mund. Kelly?
Ein Arbeiter der Fähre lotste Eddie über die Rampe zu einem Parkplatz. Eddie sprang aus dem Wagen, winkte die anderen zusammen und machte sie miteinander bekannt. Der sauer dreinblik-kende Mann war tatsächlich Alfred A. - für Aloysius - Kelly. Er brummte etwas Unverständliches, als er Fritzi begrüßte und sie von oben bis unten musterte. Das verunsicherte sie, wahrscheinlich genau die Wirkung, die er beabsichtigte.
Ein junger Mann mit blondem Haar und Stiernacken wurde als Owen Stallings vorgestellt. Er spielte den einsamen Indianer. Er sah ungefähr so indianisch aus wie Lief Erickson. Nachdem er Fritzi überschwenglich die Hand geschüttelt hatte, schlenderte er an die Reling und lächelte ihr von dort aus zu, als hätte er allen Grund zu glauben, sie damit zu becircen. Schöne Männer waren schlimmer als schöne Frauen.
Fritzis »Vater« war Noble Royce, ein munterer alter Bursche mit roter Nase, in Matrosenjacke und blauer Strickmütze. Ein kurzes Schnuppern, und Fritzi wußte, daß er seinen morgendlichen Haferbrei mit Bier gewürzt hatte. Der Anführer der Schurken war ein dürrer, mürrischer Schauspieler namens Sam Soundso.
Ein Tourenwagen von Ford, Modell F, tauchte knatternd aus dem Nebel auf. Das Auto war einige Jahre alt, was man ihm auch ansah. Die Türen waren verbeult, ein Trittbrett hing durch. Eddie grüßte den kräftigen, einfachen jungen Mann am Steuer. »Bill Nix, unser Schreinermeister und Requisiteur.« Fritzi bemerkte, daß auf dem Autositz drei zusammengebundene Filmzeitschriften lagen. Eine Kamera war nicht auszumachen.
Die Glocke ertönte, Matrosen riegelten das Heck ab, und die Fähre tuckerte mit lautem Signalhorn in den Hudson River. Seemöwen auf der Suche nach Freßbarem segelten über dem Kielwasser. Ein halbes Dutzend Arbeiter, die den Fluß mit ihrem Henkelmann überquerten, musterten die Filmleute mit neugierigen Blicken. Mit einer brüsken Handbewegung befahl Kelly Eddie an die Reling, wo er mit leiser Stimme auf ihn einredete. Owen Stallings trat auf Fritzi zu und legte den Finger an die Mütze.
»Hallo junge Dame.«
Weil sie just in dem Augenblick von einem Bauchkrampf heimgesucht wurde, erwiderte sie scharf: »Würde es Ihnen was ausmachen, mich anders anzureden? Ich kann Gönner nicht leiden.«
Seine Augenlider flatterten. »Aber klar doch. Sagen Sie, sind Sie auch eine von den tapferen >neuen
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