Fremde Federn
Schminke und Puder auf, während Nell, immer noch auf den Knien, den Saum hochsteckte.
»Jock wird uns sagen, ob das Make-up so geht, aber ich glaube schon.« Er hielt ihr einen kleinen Spiegel vor die Nase, dann rannte er hinaus und rief: »Tempo, Tempo, Zeit ist Geld.«
Fritzi ging auf die Veranda hinunter. Zu ihrem Leidwesen gab ihr Magen wieder gräßliche Geräusche von sich. Eddie spannte Schnüre zwischen Holzpfählen, bis direkt vor den Stufen der Veranda ein Rechteck entstand. Jock Ferguson baute Stativ und Kamera so auf der Straße auf, daß er Rechteck, Stufen und Veranda im Bild hatte. Ein Junge kam mit einem Schimmel um die Ecke des Hotels getrabt. Eddie musterte das Tier und sagte: »Kann ich gebrauchen.«
»Wieviel kostet der Gaul?« erkundigte sich Kelly.
»Zwei Dollar pro Tag«, antwortete Eddie.
»Großer Gott. Man könnte meinen, wir seien Midas Pictures.«
Eddie schien gekränkt, doch er erwiderte nichts. Er öffnete die Schminkkiste, verrührte schnell wasserlösliche schwarze Farbe in einer kleinen runden Kuchenform und malte eine Adlerfeder auf den Rumpf des Pferdes.
Das nervöse Pferd verrichtete sein Geschäft, Eddie konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen. Al Kelly schnaubte, was bei ihm offensichtlich ein Ausdruck größten Vergnügens war. Fritzi konnte den Mann nicht ausstehen. Sie fragte sich, wie wohl der andere, Mr. Pelzer, war. Schlimmer konnte er auf keinen Fall sein.
Sam Soundso und die Statisten traten in schmutzigen und ausgefransten Hemden mit Waschbärmützen auf dem Kopf vor die Tür. Zwei Minuten später folgte der unglaublich gutaussehende Owen in Leggings und Mokassins. Er trug eine schwarze Perücke mit Mittelscheitel und langen Zöpfen. Das Gesicht, die Arme und die muskulöse Brust hatte er mit roter Farbe bemalt. Er ließ die Muskeln spielen, grinste und blickte sich mit beifallheischender Miene nach allen Seiten um.
»Wir fangen da an, wo der Ladenbesitzer von den Schurken aus dem Laden gezerrt wird«, erklärte Eddie. »Noble, sie ziehen dir eins über, und du fällst um.«
»Kein Problem«, keuchte der alte Schauspieler. Er schwankte wie ein Schößling im Wind, und Fritzi fragte sich, ob er wohl lange genug auf den Beinen bleiben konnte, um auf Kommando umzufallen.
»Sam, zieh ihm eins mit dem Pistolenknauf über, aber nur zum Schein. Tu ihm ja nicht weh!«
»Ja, ja«, brummte der mürrische Schauspieler, während er am Zylinder seines rostigen Schießeisens drehte.
»Und bitte alle dran denken: Ihr müßt innerhalb des abgezäunten Rechtecks bleiben!«
Fritzis Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als Eddie den Titel des Films und die Nummer der Szene mit Kreide auf eine Schiefertafel schrieb. Der Hotelangestellte stand mit einigen Ortsbewohnern herum und hielt Maulaffen feil. Aus seinem Wagen holte Eddie ein Holzschild mit der Aufschrift »Gemischtwarenladen« und hängte es an einen Nagel des Verandapfostens. »Jock, achte drauf, daß die Kamera tief genug ist, damit das Hotelschild nicht ins Bild kommt.«
»Alles klar«, versprach Ferguson und machte sich an der Schraube des Stativs zu schaffen.
»Schauspieler hinein!« befahl Eddie. Fritzi drängte sich mit den anderen durch die Tür. Sie drückten sich links und rechts neben den schmutzigen Fenstern an die Wand. »Seid ihr fertig?« Eddies Stimme klang seltsam hohl, und Fritzi wagte einen kurzen Blick hinaus, um den Grund zu erfahren. Er hielt ein kleines Megaphon in der Hand. So ein Ding war sicher nützlich in einem Studio, in dem alle durcheinander schrien.
»Es geht los, Leute. Kamera ab!«
Fritzi tupfte sich die Oberlippe mit einem Taschentuch ab. Ihr Magen grummelte so laut, daß Sam Soundso sich nach allen Seiten umsah. Eddie rief: »Achtung! Schurken!«
Sam Soundso gab Noble einen Schubs und raunte: »Also los!« Seine Worte sorgten bei dem alten Schauspieler für die notwendige Empörung. In Null Komma nichts waren Noble, Sam und die beiden Statisten draußen. Fritzi lehnte sich an die Wand, schloß die Augen und faltete die Hände wie zum Gebet.
»Gib’s ihm, ja gut, gut so! Sam, jetzt brat ihm eins über! Ja so, ausgezeichnet. Auf die Knie, Noble - du bist erledigt, erledigt! Tochter! Jetzt.«
Fritzi rannte nach draußen. Sie hörte das Surren der Kamera und Eddie, der ihr ermunternde Worte zurief.
Und dann geschah das Unerhörte. Als sie die Verandastufen hinunterrauschte, trat sie versehentlich auf den Saum ihres Kleides und flog in hohem Bogen durch die Luft.
Es
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