Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
von dir, daß du mich nochmals mit Jane Addams zusammengebracht hast. Ich weiß, daß sie eine gute Freundin ist und Hull House eine sehr nützliche Einrichtung für die Armen. Aber die Frauen, die ich dort getroffen habe - deine Freundinnen, die wie du unentgeltlich arbeiten -, sind viel älter als ich. Sie wissen, wo ihr Platz im Leben ist, und haben ganz andere Interessen.«
    »Sie sind alt, genau wie ich«, konstatierte Ilsa munter, ohne eine Spur von Selbstmitleid. »Ich weiß, was du meinst.«
    Der Kellner brachte Ilsas Suppe und ein Körbchen mit Roggen-und Schwarzbrot. Während Fritzi ein Stück Pumpernickel dick mit Butter bestrich, sagte ihre Mutter: »Ich könnte dir so viele Vorschläge machen, manche sind sogar ziemlich ausgefallen. Ein Kochkurs bei einem französischen Meisterkoch zum Beispiel.«
    Fritzi kicherte. »Ach, Mama, du weißt doch, daß ich vollkommen versage, was die häuslichen Pflichten anbelangt. Wenn ich Kannibale wäre, könnte ich nicht mal einen Missionar kochen.«
    Ilsa nahm noch einen Schluck Wein, atmete tief ein und wechselte das Thema. »Du weißt, daß es etwas gibt, womit du deinen Vater sehr glücklich machen könntest. Dein Vater wünscht sich nichts so sehr wie einen Schwiegersohn und Enkelkinder.«
    Erneutes Schweigen. Fritzi saß reglos auf ihrem Stuhl, beide Hände am Stiel ihres Weinglases. Ilsa hatte ihre Tochter nie nach Liebes-dingen gefragt. Aus vereinzelten Hinweisen in ihren Briefen wußte sie, daß Fritzi sich bis über beide Ohren in einen jungen Mann aus Georgia verliebt hatte, als Mortmains Truppe zwei Wochen lang in Savannah gastiert hatte. Umgekehrt fand der junge Mann sie offenbar ganz nett, aber nicht mehr. Zweifellos hatte er sie für leichtlebig gehalten, ein Urteil, das man über Schauspielerinnen rasch fällte. Der junge Mann stammte aus einer alten Familie - er war Aristokrat, was für Ilsa meist gleichbedeutend war mit Snob. Noch Monate danach hatte sie in Fritzis Briefen Traurigkeit gespürt.
    Keine ungewöhnliche Geschichte, dachte Ilsa. Es kam häufig vor, daß sich ein Mädchen nicht von der ersten enttäuschten Liebe erholte, daß es keinen Ersatz für die erste Liebe gab und das Mädchen als alte Jungfer endete. Ilsa kannte mindestens vier Frauen mittleren Alters, denen dieses Unglück widerfahren war. Der Volksmund sprach von »unerwiderter Liebe«. Eine davon war Ilsas gute Freundin Jane Addams, die Leiterin des Armenhauses.
    Ilsa wußte, daß sie sich noch in ihrer letzten Stunde grämen würde, sollte Fritzi unverheiratet bleiben. Doch auch sie wußte keinen Rat. Da konnte sich Fritzi nur selbst helfen - Fritzi und der Mann, der bis jetzt weder Namen noch Identität besaß, der einzig in der Hoffnung einer liebenden Mutter existierte.
    Endlich brach Fritzi ihr Schweigen. »Mama, ich glaube nicht, daß das jemals passieren wird.«
    »Warum denn nicht? Liebchen, du bist wirklich ein Schatz. Bist du denn so sehr gegen die Ehe?«
    »Nein, aber ich weiß, was ich bin. Ich bin Schauspielerin. Nur dazu habe ich Talent. Ich liebe meinen Beruf. Und deshalb ...« Die plötzliche Röte, die Fritzis Gesicht überzog, ließ Ilsa nichts Gutes ahnen.
    »... habe ich beschlossen, nach Silvester nach New York zu gehen.«
    »Das glaube ich nicht. Du möchtest in diese gräßliche Stadt ziehen?«
    Fritzi ergriff die Hand ihrer Mutter und fuhr ernst fort. »Mama, du bist eine kluge, gebildete Frau. Und du weißt so gut wie ich, daß es Theater, richtiges Theater, nur in New York gibt. Ich weigere mich, mein Leben auf irgendwelchen heruntergekommenen Bühnen zwischen Florida und Texas zu verbringen - oder in einem Gemeindehaus in Chicago. Ich muß es versuchen, und wenn ich es nicht schaffe, habe ich Pech gehabt. Aber ich muß es versuchen.«
    Nun war es an Ilsa zu schweigen, obwohl ihre Gedanken wild durcheinander rasten. Sie zweifelte nicht eine Sekunde an der Fähigkeit ihrer Tochter, für sich selbst zu sorgen, auch in einer Stadt, die so sündhaft und voller Verbrechen war wie New York. Ihr war nur bange, wenn sie an eine weitere Person in dieser Gleichung dachte.
    »Hast du schon mit deinem Vater gesprochen?«
    »Noch nicht, aber bald.«
    »Du weißt, daß er es übel aufnehmen könnte?«
    »Du willst sagen, daß er es mir verbieten könnte? Mama, ich kann meine Entscheidung nicht rückgängig machen, nur weil ich Angst vor einer Auseinandersetzung habe.«
    »Darum bitte ich gar nicht. Ich bitte dich nur, noch einmal darüber nachzudenken, das ist alles.

Weitere Kostenlose Bücher