Fremde Federn
luxuriösen Packard entschieden, mit Schalensitzen, großen Messingscheinwerfern und einer glänzenden Messinghupe. Die Farbe hatte Sophie Pelzer ausgewählt, Königsblau. Man munkelte, das Auto habe 2700 Dollar gekostet. Kelly war außer sich.
B. B. benützte die Scheune auf dem Gelände als Garage. »Er ist wunderschön«, rief Fritzi aus, als er ihr den Wagen zeigte. »Aber ich fürchte, es wird ein Jahr dauern, bis ich ihn fahren kann.«
»Hat Ihr Vater Ihnen denn das Fahren nicht beigebracht?«
»Nein, er meinte, eine Frau hat entweder einen Ehemann oder einen Chauffeur.«
B. B. rollte die Augen. Er versprach, einen guten Fahrlehrer aufzutreiben.
»Wenn Zeit bleibt«, erwiderte sie mit einem kleinen Seufzer.
Aber plötzlich zeichnete sich eine Lösung ihres Problems ab. Ein Schauspieler mit einem Monokel erschien auf dem Gelände und fragte nach Arbeit. Obwohl er erst Ende Zwanzig war, hatte er einen kahlen Schädel und ein ernstes, um nicht zu sagen gefährlich böses Gesicht. Er war aus Wien eingewandert und hatte schon in einigen Filmen in New York mitgewirkt. Mit Vornamen hieß er Erich, mit Nachnamen Stroheim, dazwischen standen mehr Namen, als sich in einem Atemzug aussprechen ließen. B. B. rief Fritzi in sein Büro, um sie bekannt zu machen »Wir haben im Moment keine Rolle zu vergeben, aber ich habe ihn eingestellt, damit er Ihnen das Fahren beibringt.«
Der Mann schlug die Hacken zusammen und verbeugte sich. Fritzi sah, daß seine Schuhe fast auseinanderfielen.
»Ich habe gehört, daß Sie Deutsche sind.« Erichs Akzent war hart wie deutsches Eichenholz. »Wunderbar, dann sprechen wir eine Sprache. Nennen Sie mich bitte einfach >Von<.«
Fritzi brachte ein »Sehr erfreut« heraus, und er ergriff ihre Hand und küßte sie. Seine höflichen Manieren und sein Lächeln ließen vergessen, daß er vom äußeren Eindruck her das Böse schlechthin zu verkörpern schien.
Von erwies sich als fähiger Lehrer und als liebenswürdiger, humorvoller Kamerad. Er sah Fritzi ihre anfängliche Ungeschicklichkeit nach. Binnen zwei Wochen fuhr sie tadellos.
Während einer ihrer nachmittäglichen Fahrstunden näherten sie sich der Ecke Figueroa und Achte Straße im Stadtzentrum, als Fritzi plötzlich das Steuer herumriß und den Packard an den Straßenrand lenkte. Sie trat so heftig auf die Bremse, daß sie beinahe mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geprallt wäre. Ihr Lehrer auf dem Beifahrersitz erblaßte. »Großer Gott! Geben Sie acht!«
Sie stand in dem offenen Wagen auf, die Hand über den Augen, um gegen die Sonne etwas sehen zu können. »Was ist denn hier los?« Von erhob sich ebenfalls. Mitten auf der Kreuzung rannten uniformierte Polizisten mit hohen Hüten wild durcheinander, jagten Fußgänger und schlugen mit Knüppeln nach ihnen, während sie gleichzeitig versuchten, einem anscheinend außer Kontrolle geratenen Wagen auszuweichen, der sich nur noch im Kreis drehte. Ein schwarzes Polizeiauto raste über den Bordstein und kam nur eine Handbreit von einem Schaufenster entfernt zum Halten; unter der Motorhaube drang Rauch hervor. Der Verkehr auf allen vier Straßen der Kreuzung staute sich. Wütende Autofahrer schrien und hupten wild durcheinander.
»Die Polizei macht einen Aufstand!« rief Fritzi aus.
»Nein, nein«, widersprach Von, lässig abwinkend. »Ein Lichtspiel, Dreharbeiten.«
»Dreharbeiten?«
»Ja. Von Biograph, wenn ich nicht irre. Sehen Sie den dort? Das ist der Regisseur.«
Fritzi entdeckte ihn in einer entfernten Ecke; in der Aufregung hatte sie weder ihn noch die Kamera gesehen. Im selben Augenblick, als der Regisseur »Aus!« rief, sagte sie: »Den kenne ich doch!«
Alle hielten inne, aber ein Schauspieler warf noch einen letzten Ziegelstein. Er flog hoch und in einem Bogen direkt auf den Packard zu. Fritzi schrie: »Kopf runter!«
»Quatsch! Filz.« Der Ziegelstein prallte federnd von der Motorhaube ab.
Fritzi stieg aus dem Auto und ging über die Kreuzung. Männer aus dem Filmteam standen mit erhobenen Händen fuchtelnd auf der Straße und hielten den Verkehr an. Es herrschte ein lauter Wirrwarr aus Flüchen und Drohungen, Hupen, Plärren und Rufen. Jemand ließ einen Knüppel fallen, den Fritzi lächelnd aufhob; er war aus gestopfter Watte.
Der Regisseur, ein stämmiger junger Ire, den sie von der Vierzehnten Straße kannte, gab seinen Mitarbeitern Anweisungen. »Hat sich alles gut gemacht, nur das Gerutsche noch nicht. Schüttet noch ein Faß Flüssigseife drüber,
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