Fremde Federn
bereits zu glimmen begann. Der Korridor wurde von einem höllischen Sonnenaufgang in ein grelles Licht getaucht.
»Das ist kein Unfall!« stieß Eddie hervor. »Vorgestern wurde Bill Nix in der Gegend gesehen.« Er warf einen besorgten Blick zurück. »Der Kostümraum hat ein Fenster mit einer Feuerleiter davor.« Er rannte auf die herandrängende Flammenwand zu, dicht gefolgt von den beiden verängstigten Frauen.
Die Hitze stieg an, der helle Feuerschein wurde immer greller. Daphne Roosa drohte zusammenzubrechen, sie bekam kaum mehr Luft. Fritzi packte sie bei der Hand und zog sie weiter. Das Feuer hatte jetzt beinahe die Tür des derzeitigen Kostümfundus erreicht. Fritzi hatte immer gewußt, wie gefährlich es war, Nitratfilme in einem Gebäude aus Holz zu lagern, aber bis jetzt war das eine theoretische Erwägung gewesen. Nie hätte sie gedacht, daß sie einmal wirklich in Gefahr geraten könnte. Das tränentreibende Brennen in den Augen, der quälende Rauch, die Hitze, das Knistern von fallendem Putz und berstenden Leisten, der Aufprall brennender Balken im Stockwerk unter ihnen bewiesen, wie dumm das gewesen war.
»Eddie, können wir es schaffen?« Die Tür, durch die sie mußten, stand schon in Flammen.
»Wir müssen hier durch. Das ist unsere einzige Chance. Kommt!« Er meinte mitten durch die Flammen. Fritzi packte Daphnes Hand fester. Der Rauch war so dicht, daß sie kaum mehr etwas sehen konnten, die Hitze wurde sengend. Eddie schlug die Arme über den Kopf und sprang. Behende wie ein Reh verschwand er im Feuer.
»Los, Daphne! Lauf, so schnell du kannst!« rief Fritzi.
»Ich habe Angst!«
»Ich auch, aber wir sterben, wenn wir hierbleiben. Komm!«
Sie mußte die kräftige junge Frau regelrecht mitschleifen, einen Arm zum Schutz über die Augen gelegt. Mit angehaltenem Atem hechtete sie durch die Feuerwand und versank in der undurchdringlichen Dunkelheit des unbeleuchteten Raums. Plötzlich hatte sie Daphnes Hand verloren.
»Daphne?«
Sie bemerkte, daß Daphne auf dem Boden lag, neben einem heruntergefallenen Kostüm, über das sie gestolpert sein mußte. Der Türrahmen brannte lichterloh. Daphne lag gefährlich nahe daran, ihr Rock begann bereits zu glimmen. Fritzi hörte Eddie, ohne ihn sehen zu können:
»Um Himmels willen, wo bleibt ihr?«
»Daphne ist gestürzt.« Die zusammengebrochene junge Frau schlug stöhnend um sich. Fritzi hörte Eddie zurücklaufen. Plötzlich stand Daphnes Rock in Flammen.
Fritzi riß etwas von der nächsten Stange, eine schwere, samtene Königsrobe, und warf sie über Daphne, dann warf sie sich selbst darüber und schlug mit ihrer Tasche wie wild auf die Flammen ein, um sie zu ersticken.
»Steh auf!« Eddie packte Fritzi am Arm. Daphne schien gerettet, ihre brennende Kleidung gelöscht. Fritzi hielt sich an Eddies Arm wie an einem Rettungsseil. Zu dritt stolperten sie zwischen den Kleiderstangen hindurch auf das geöffnete Fenster zu. Auf der Straße unten schrillte die Glocke eines Feuermelders. Lautes Geschrei war zu hören.
»Steigt raus!« brüllte Eddie und schob zuerst Daphne Roosa auf die Feuerleiter, dann Fritzi. Er stieg durch das Fenster, als Daphne bereits auf die Eisentreppe hinunterkletterte. Fritzi klammerte sich am Geländer fest und folgte ihr. Sie trat daneben, stolperte und fiel auf den Absatz, wo der letzte Treppenlauf begann. Fritzi sah den Boden des Absatzes, ein eisernes Gitter, wie durch ein Vergrößerungsglas immer näher kommen, und schon schlug ihr Gesicht auf. Da war ein stechender Schmerz in ihrem Knöchel. Dann war alles ausgelöscht, das Feuer, die schrille Glocke, Eddie, Daphne - alles verschwand in einem schwarzen Schlund.
56. CARL MÄHT DAS GRAS
Carl schlief in Ryans Heuschober auf weichem Stroh, warm und geschützt unter Wolldecken. Das Essen war gut; Rip selbst aß gern, Riesenmahlzeiten mit Steaks und Eiern, Obst und Gemüse aus der Region, obwohl er wegen seiner Arthritis länger zum Kochen brauchte.
Vor langer Zeit hatte Ryan Pläne für die Erweiterung der Scheune gezeichnet. Die Arbeit ging gut voran, denn Carl war kräftig und geschickt. Einmal in der Woche kamen ein Arzt und ein Naturkundelehrer zu ihnen herausgefahren, um Flugunterricht zu nehmen. Zu seinem großen Erstaunen erlebte Carl, daß Ryan Wort hielt: Er rührte das Flugzeug nicht an, sondern beobachtete und gab Anweisungen, während er auf einem Faß an der Landebahn saß. An einem Dienstag um halb vier gab er Carl die erste Flugstunde.
»Die ist
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