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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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später fuhr sie noch einmal hin, und da traf sie Windy White, der beinahe nüchtern auf einer Krücke humpelte.
    »Mr. White, erinnern Sie sich an mich?«
    »’türlich. Miss Crown. Hab’ ich recht?«
    »Ja. Es tut mir leid, daß Sie einen Unfall hatten.«
    »Na ja, wußte ja, daß die Geschichte ziemlich haarig ist. Mußte von einer Lokomotive springen, die über eine Brücke fuhr, und dabei im Bach landen. Der war ’n bißchen flach. In einer Woche oder so bin ich wieder heil.«
    Fritzi schauderte allein bei dem Gedanken. »Machen Sie so was oft?«
    »So oft, wie man mich dafür bezahlt, Ma’am. Windy White springt überall runter, von ’nem Auto, ’ner Tram, ’nem Ballon, ’nem Indianerpony, ’nem flüchtenden Wagen - von allem, was sich schnell bewegt.«
    »Das ist eine gefährliche Arbeit.« Sie fragte sich, wie er solche Wagnisse eingehen konnte, wo er doch ständig vom Whiskey benebelt war. »Ach, haben Sie vielleicht Mr. Hardin gesehen oder von ihm gehört?«
    »Loy? Kein Sterbenswörtchen, seit er weg ist. Loy ist aber auch nich’ der Typ, der Briefe schreibt. Irgendein besonderer Grund, daß Sie nach ihm fragen?«
    »Hm, das Studio möchte ihn für eine kleinere Rolle.«
    »Ah ja?« Er schnitt sich ein Stück Tabak ab und steckte es sich in den Mund. Er brachte sie nicht in Verlegenheit mit der naheliegenden Frage: Welches Studio schickt eine Schauspielerin, einen Statisten zu suchen?
    »Wünschte, ich könnte Ihnen helfen. Gott weiß, wo er ist. Ich hoffe bloß, daß sich nich’ so’n Grizzly über ihn hergemacht hat. Solang’ etwas zwei Beine hat, wird Loy damit fertig.«
    Er tippte grüßend an seinen kegelförmigen Hut und humpelte davon, um sich zu den Cowboys zu gesellen, die auf der Bank an der Trambahnstation Karten spielten. Fritzi lief über den Hollywood Boulevard und gab sich alle Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten.
59. ZIRKUS DER LÜFTE
    Carl fuhr im Güterwagen nach El Paso und fragte gleich in der Bar des Hotels Sheldon nach René LeMaye. Er erfuhr, daß Le Maye mit seinem Team eine achtwöchige Flugschau-Tournee durch Arkansas und Oklahoma machte. Zwei Monate lang arbeitete Carl als Tellerwäscher in einem Restaurant. Le Maye kehrte wie geplant nach El Paso zurück und besprach sich mit Carl an der Bar des Hotels Sheldon.
    René Le Maye war ein kleiner, schielender Mann, etwa vierzig, mit vorzeitiger Glatze. Der Kettenraucher hatte in Frankreich fliegen gelernt, in der Schule von Maurice und Henry Farman. Im Jahr 1910 war er als Mechaniker des berühmten französischen Fliegers Louis Paulhan nach Amerika gekommen und nach dessen Tournee dageblieben. Renés Auskünfte in gebrochenem Englisch waren offen, um nicht zu sagen unverblümt:
    »Ich lasse Sie morgen unser ältestes Flugzeug fliegen. Wenn Sie es nicht zu Schrott fliegen, stell’ ich Sie ein. Unsere Truppe unterscheidet sich ganz wesentlich von den anderen, die durch Ihr Land ziehen. Wir führen keine Maschinen vor, weil wir etwas verkaufen wollen. Wir verkaufen nichts als den frisson, das Herzflattern, und den sich umdrehenden Magen. Todesmutige Kunststücke in der Luft von Teufelskerlen, die es diesmal vielleicht nicht schaffen - so die Hoffnung der Zuschauer, die stets unausgesprochen bleibt. Sie verstehen? Für die Flieger gilt dasselbe, es ist aufregend - wie ein edler Brandy oder eine neue Frau. Können Sie damit klarkommen, mon ami?«
    »Ich kann und ich will«, antwortete Carl mit größerer Zuversicht als Gewißheit.
    Nach dem erfolgreichen Probeflug stellte René ihn ein. In den folgenden Wochen merkte Carl, wie recht der kleine Mann gehabt hatte. Die Begeisterungsschreie und Jubelrufe, die nach einem erfolgreichen Kunststück von den Tribünen erschallten, waren berauschend.
    Und er hatte geglaubt, er wolle sein ganzes Leben Rennautos fahren! Während er jetzt mit Renés Truppe von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zog, wurde ihm klar, wie sehr er sich geirrt hatte. Er gehörte wirklich in die Luft, in den Wind, die Wolken und Luftströmungen, herausgefordert von dieser kleinen Maschine, die ihn in schwindelerregende Höhen trug und ihn schon im nächsten Augenblick töten konnte.
    Der zweitwichtigste Mann der Truppe nach René war Tom Long, der Mechaniker. Tom war ein kräftiger, großer Vollblut-Irokese mit schwarzen Zöpfen und glühenden dunklen Augen. Er hing mit Liebe und leidenschaftlicher Treue an der Schule, die ihn auf diese Welt vorbereitet hatte, die Carlisle Indian Academy in Pennsylvania. Jim Thorpes

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