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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Zeit; er hatte für die ganze Nacht bezahlt.
    Zärtlich sog das Mädchen an seiner Oberlippe und flüsterte ihm ins Ohr, daß sie seinen Steuerknüppel spüre und ob alle Flieger so große hätten. Bevor er antworten konnte, hörte er schwere Stiefelschritte. Harvard erschien in der Tür, seinen langen Colt im Halfter. Señora Guzman hielt sich besorgt dicht hinter ihm.
    »Ich sage Ihnen doch, Sir, Yolande ist mit diesem Herrn beschäftigt«, erklärte sie auf spanisch. Wie alle in der Truppe hatte auch Carl ausreichend Spanisch gelernt, um zurechtzukommen.
    Es war eine heiße Nacht; Harvards Gesicht ähnelte einem gekochten Hummer. Er packte die Besitzerin am Arm und schob sie unsanft zur Seite. Auf ihrem Arm blieben Druckstellen zurück. »Aber ich will Yolande heute noch einmal, Omma«, gab er auf englisch zurück.
    Carl winkte ab. »Vergiß es, Harvard! Hier kann man nicht reservieren. Such dir eine andere aus, sind alle hübsch.«
    Harvard biß die Zähne aufeinander, was bei ihm einem Lächeln am nächsten kam. »Sie kommt mit mir, du Armleuchter!« Das Wort gefiel ihm, und er gebrauchte es oft, um jemanden herauszufordern oder ihn zu beleidigen, wenn er sich nicht herausfordern ließ.
    Carl ließ sich nicht herausfordern. »Nein«, sagte er.
    Harvard knurrte: »Ja! Komm schon, wir entscheiden das draußen.«
    Carl seufzte. »Du lieber Himmel, du bist also wild entschlossen, uns den Abend zu versauen.« Er schob Yolande sanft von seinem Schoß, befeuchtete sich die Lippen mit einem Schluck des scharfen Whiskeys, schob die Hosenträger hoch, schnallte sein Halfter ab und legte es auf den Stuhl. Er hatte nicht die Absicht, sich mit diesem auftrumpfenden Engländer eine Schießerei zu liefern.
    »Wir können draußen im Hof darüber verhandeln. Wollen doch Señora Guzmans Möbel nicht beschädigen.«
    Harvard schnallte ebenfalls das Halfter ab und übergab es der Besitzerin, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Carl deutete beiläufig auf Harvards schmutziges Khakihemd.
    »Die andere auch, wenn du nichts dagegen hast.«
    Es schien zwar unmöglich, daß Harvards Gesicht noch röter wurde, aber es geschah. Er holte unter seinem Hemd eine häßliche kleine Waffe hervor, vom Hersteller entzückenderweise Mein Freund getauft; es war eine Waffe ohne Trommel, deren Kugeln direkt aus dem Lauf abgefeuert wurden.
    Carl beobachtete Harvards Augen und fragte sich, ob der Mensch so wütend sein könne, um zu schießen, ohne zu überlegen. Yolande stand hinter Carl, die Arme um seine Taille geschlungen, um ihn wegzuziehen, denn das Ganze würde bestenfalls in eine brutale Schlägerei münden, die erst endete, wenn einer der beiden am Boden lag.
    Es kam nicht soweit. René kam hereingeschlendert. Er pfiff Alexander’s Ragtime Band. Mit einem Blick erkannte er die Situation, spürte die Feindseligkeit. Obwohl er einen Kopf kleiner war als Harvard, trat er vor ihn hin und schob ihn zurück.
    »Wir stehen alle auf der gleichen Seite, Gentlemen; wir kämpfen nicht gegeneinander, egal was vorgefallen ist.«
    »Nimm deine dreckigen Hände weg, Franzmann!« Harvard zeigte René die Faust. Plötzlich, wie durch Zauberkraft, blitzte ein acht Fingerbreit langes Messer in Renés Hand auf. Er setzte die Spitze an Harvards Hals, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen.
    »Männer, die für mich arbeiten, müssen erwachsen sein und keine streitsüchtigen Kinder. Wenn du das nicht hinkriegst, mon ami, dann pack deine Sachen und leb von den Almosen, die du von deinem lieben Papa kriegst.«
    Harvards Augen quollen hervor, als er den Hals reckte, um die Klinge unter seinem Kinn zu taxieren. Langsam machte er ein paar Schritte nach hinten und hob die Hände.
    »Sehr gut. Kluges Kerlchen«, lobte René.
    Er zog das Messer zurück, ließ es zuschnappen. Harvard griff nach seinem Halfter, das ihm Señora Guzman hinhielt. Während er dem Ausgang zustakte, warf er Carl einen letzten Blick aus diesen eigenartig grünen Augen zu.
    »Ein andermal, Armleuchter.«
    »Jederzeit«, erwiderte Carl.
    Der Engländer verschwand. René seufzte. »Manchmal läßt mich meine Menschenkenntnis leider im Stich. Ich habe den falschen Mann eingestellt. Geh mit deinem Mädchen nach oben, und laß den meine Sorge sein.« Er drehte sich eine Zigarette und steckte sie sich zwischen die Lippen.
    Carl legte einen Arm um Yolandes Taille. »Nein«, sagte er, »um den müssen wir uns alle kümmern.«
60. VIVA VILLA!
    Im Frühjahr 1913 gingen Paul und Sammy Silverstone in Galveston

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