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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Schule.
    Der dritte Pilot, Chauncey Crampton, war ein großer, derber Engländer mit rotem Gesicht und eigenartig grünen Augen. Er war in einem Saloon in San Antonio eingestellt worden, weil man verzweifelt Ersatz für einen liebenswerten jungen Mann namens Alfie Burns gebraucht hatte. Alfie war bei einer Flugschau vom Kurs abgekommen, in einen dichten, riesigen Heuschreckenschwarm geraten und abgestürzt. Unglücklicherweise flog er den Curtiss-Doppeldecker. Durch den Aufprall auf dem Boden wurde der Druckschraubenmotor abgerissen und nach vorne geschleudert. Er brach Burns das Rückgrat. Er starb noch am selben Tag.
    Man erzählte Carl, daß der Ersatzmann für Burns den Spitznamen Harvard habe, weil ihn sein adliger Vater auf diese Universität geschickt hatte. Crampton hatte das Temperament eines Rabauken und benahm sich schlecht in Harvard. Schon im ersten Jahr hatte er bei einer Rauferei im Anschluß an ein Zechgelage einen Kommilitonen aus dem zweiten Stock eines Wohnheims geworfen. Der Student war so unglücklich gefallen, daß er sich den Schädel einschlug und starb. Harvard wurde nicht nur der Universität verwiesen, sondern auch seiner Heimat. Sein Vater bestrafte ihn für sein skandalöses Verhalten, indem er ihn aus England verbannte. Wie bei vielen anderen jungen Leuten, die von ihrer elterlichen Apanage lebten, reichten seine Mittel nicht aus, seinen großen Appetit auf Essen, Trinken und Frauen zu stillen. Er machte aus alledem kein Geheimnis - er genoß es, die Geschichte zum besten zu geben.
    Carl mochte Harvard vom ersten Augenblick an nicht leiden, und diese Abneigung wurde erwidert. Der Engländer provozierte wegen Nichtigkeiten Streit: um den einzigen Stuhl im Schatten oder um den Schraubenschlüssel, den beide haben wollten. Harvard steckte einen riesigen Colt in ein silbern verziertes Halfter. Er schien erpicht, ihn zur Regelung ihrer Streitigkeiten zu benutzen. Carl weigerte sich, sich provozieren zu lassen.
    Zur ersten ernsthaften Auseinandersetzung zwischen ihnen kam es im Sommer. Die Truppe war eine Woche lang in El Paso, um ihre Maschinen für eine Reihe von Flugschauen in New Mexico herzurichten. Am letzten Abend in der Stadt besuchte Carl ein Bordell, das René ihm empfohlen hatte.
    Die Bordellbesitzerin Señora Guzman hatte ihr Haus mit religiösen Bildern, Figuren und vielen Altarkerzen geschmückt, die in kleinen roten und grünen Gläsern brannten. Ihre besondere Wertschätzung der Fleischeslust bereiteten der Señora offenbar trotz ihrer tiefen Gläubigkeit keine Gewissenskonflikte.
    Carl entspannte sich in einem Nebenzimmer, im Unterhemd mit heruntergelassenen Hosenträgern, seine Waffe immer noch um die Hüfte geschnallt. Er hatte sich einen Colt Modell 1911, Kaliber fünfundvierzig, auf Renés Rat hin angeschafft. In vieler Hinsicht herrschten im Südwesten noch die alten Sitten des Wilden Westens. Im westlichen Texas und in Arizona waren die Flieger mehrmals in kleine Streitigkeiten mit einheimischen Randalierern verwickelt worden, und nach Renés Ansicht war eine Waffe immer noch das beste Abschreckungsmittel. Bisher hatte Carl den Colt noch nie benutzt, weder im Zorn noch zur Selbstverteidigung, doch sollte er dazu genötigt sein, würde er eine mächtige Wirkung erzielen. Der Waffenhändler hatte Carl erklärt, daß der Colt jemanden niederstreckte, auch wenn der nur am Arm getroffen würde.
    Obwohl Carl erst zweiunddreißig war, hatte er schon den Bauch eines älteren Mannes. Darüber machte sich Harvard gern lustig. »He, Armleuchter«, sagte er dann für gewöhnlich, wobei er Carl anstupste, »hast wohl ’n Täubchen im Rohr, wie? Ob du damit noch in dein Kleidchen paßt?« Er spielte darauf an, daß Carl in knöchellangem Kleid, grauer Perücke und Nickelbrille ein Kunststück vorführte, bei dem er ein Flugzeug zu stehlen hatte, das bereits vor der Haupttribüne warmlief; er flog damit über die Köpfe der begeisterten Menge, auf der Flucht vor einem zweiten Flugzeug. Am Ende dieser Vorführung landete er im markierten Feld, riß sich die Perücke vom Kopf und verbeugte sich vor dem johlenden Publikum.
    Auf einem niedrigen Tisch neben Carl stand eine braune Flasche Sotol, der übelste Whiskey, den er jemals getrunken hatte. Auf seinem Schoß saß eine mollige Frau, Mitte Zwanzig, mit nacktem Oberkörper. Ihre Brüste, große braune Melonen, waren kaum bedeckt von einem purpurroten Schal. Sie streichelte träge Carls Nase, seine Augenbrauen, seine Stirn. Sie hatten

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