Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
unbedingt guten Tag sagen. Fritzi, Sie erinnern sich an Loy Hardin.«
    »Aber natürlich, ja«, stammelte sie. Während sie ihm die Hand schüttelte, war sie so durcheinander, daß ihr der leere Teller und das Besteck aus der anderen Hand fielen. Er lachte und bückte sich höflich, um es aufzuheben.
    Fritzi war es abwechselnd heiß und kalt. Dreiunddreißig Jahre war sie alt, und sie kam sich vor wie zwölf. Ihre Beine zitterten. Ihre Unterwäsche wurde feucht, ihr Mund trocken; sie brachte kaum noch ein Wort über die Lippen.
    Windy rettete sie. »Miss Fritzi erschien eines Tages am Wasserloch und fragte nach dir. Hätte ’ne Rolle für dich gehabt.«
    »Wie freundlich von Ihnen, daß Sie an mich gedacht haben.« Er trug keine Kopfbedeckung, sein langes dunkles Haar glänzte. Windy rülpste leise und meinte, er sähe sie später wieder. Fritzi konnte ihre Nerven nicht beruhigen. Sah ihr Haar strähnig aus? Waren ihre Lippen auch rot? Sie biß darauf herum, während Loy Windy nachwinkte.
    »Sie, äh, sie waren lange weg, Mr. Hardin.«
    »Länger als erwartet, stimmt. Hab’ mich sechs Monate lang in Alaska rumgetrieben, dann bin ich langsam wieder runter in den Süden. War dann einen Monat lang in Mexiko, aber dort schießen sie einfach so auf Gringos, und deshalb bin ich wieder weg. Bin dann von Corpus Christi auf einem leeren Frachtdampfer nach Havanna, von dort auf einem anderen Frachter weiter nach Argentinien, hab’ mit diesen Gauchos gearbeitet, bis mir irgendwann die englische Sprache abging.« Lächelnd lehnte er am Wagen. »Sind Sie in Begleitung hier, Miss Crown?«
    »Bitte nennen Sie mich Fritzi. Ich bin mit Mr. Chaplin gekommen. Er ist Schauspieler bei Keystone.« Charlie hatte drei hübsche junge Damen um sich versammelt, die er mit allerlei Späßchen zum Lachen brachte. »Ich habe gehört, daß Sie im Moment für Mr. Ince arbeiten.«
    »Richtig. Als Statist in dem neuen Film mit diesem Scherenschnabel Hart.«
    »Scherenschnabel?«
    »Alter texanischer Ausdruck für jemanden, der kein Lasso werfen kann und auch sonst nichts Gescheites zustande bringt. Ein Grünschnabel - oder ein Städter, der tut, als wär’ er ’n echter Cowboy.«
    Der Spott in seiner Stimme war verhalten, aber unverkennbar.
    »Ja richtig, Sie sind aus Texas .«
    »Ja, von oben, in der Nähe von Oklahoma. Kleiner Fleck auf der Landkarte namens Muleshoe. Man fährt bis Lubbock und fragt dort am besten nach einer Karte.«
    Er stellte einen Stiefelabsatz auf einer Radspeiche ab und lächelte dieses umwerfende Lächeln. Sie konnte sich nicht satt sehen an ihm, an dem kräftigen, schlanken Hals, den lebhaften dunklen Augen, seinem langen Haar, das vom Nachtwind bewegt wurde. Er duftete angenehm nach Rasierwasser. Sie war wie benebelt.
    »Haben Sie Familie in Texas?«
    Er lächelte immer noch, wenngleich etwas weniger freundlich. »Eine Schwester, sonst niemanden.«
    »Besuchen Sie sie manchmal?«
    »In letzter Zeit nicht. Im Moment bin ich dabei, mir einen neuen Job zu sichern. In diesem Geschäft verdient man sein Geld ziemlich leicht. Ich kann so einem Scherenschnabel jederzeit den Job wegschnappen.«
    Das Akkordeon und die Geige stimmten einen Walzer aus Die lustige Witwe an. »Hätten Sie Lust auf einen kleinen Spaziergang?«
    »Warum tanzen wir nicht?«
    »Tja, na ja.« Er gab ein kleines, schmatzendes Geräusch von sich. »Ich muß zugeben, daß ich nicht tanzen kann. Hab’s nie gelernt.«
    »Sie können es immer noch lernen, es ist nicht schwer.« Sie ergriff seine Hand und führte ihn auf die Tanzfläche. »Mit der rechten Hand umfassen Sie meine Taille, die linke verharrt in der Luft. Ja, genau so. Und los geht’s, Mr. Hardin. Eins - zwei - drei, eins - zwei - drei, genau.«
    Ein paar Sekunden verflogen ohne einen falschen Schritt; er schien es begriffen zu haben. Doch dann trat sein Stiefel auf ihren linken kleinen Zeh. Beinahe wäre ihr Bein eingeknickt.
    »O mein Gott, es tut mir schrecklich leid!«
    »Macht gar nichts, ich spüre so gut wie nichts!« rief sie und lächelte den Schmerz weg. Der Druck seiner Hand auf ihrer Taille wurde stärker. Auch seine andere Hand hielt die ihre jetzt fester. Er drehte sie herum. Er tanzte. Das Erschrecken auf seinem Gesicht wich einem Ausdruck des Erstaunens, dann der Freude. Sie drehten sich im Walzerschritt unter den bunten Lampions und den Sternen Kaliforniens. Es war so lächerlich altmodisch und hoffnungslos romantisch. Fritzi vergaß ihren schmerzenden Zeh. Sie glaubte, auf der

Weitere Kostenlose Bücher