Fremde Federn
Stelle zu vergehen, wenn ihre Seligkeit auch nur ein kleines bißchen intensiver würde.
Im Laufe der nächsten Stunde redeten und redeten sie. Das heißt, sie ließ ihn reden. Schon bald wurde er ungezwungen wie unter Freunden. Er erzählte von den Cowboys, die nach Hollywood strömten und die er größtenteils als Grünschnäbel abtat, vor allem Bronco Billy Anderson: »Ist mir ganz egal, ob er berühmt ist oder nicht, für mich ist und bleibt er ein Weiberheld mit Schmerbauch.« Er erwähnte einen Cowboy, mit dem er befreundet war, einen Tom Mix aus Oklahoma, den er für einen hundertprozentig echten Cowboy hielt. Genauso Windy. Windy sei ein rechtschaffener Viehhirte aus Idaho. »Obwohl er natürlich viel zuviel trinkt.«
»Trotzdem macht er diese gefährliche Arbeit, von Brücken springen und so.«
»Behauptet, es sei ganz leicht, wenn er einen in der Krone hat. Keine Angst! Ich kann es ihm nicht ausreden. Wünschte, ich könnt’s. Würde ihn verdammt ungern verlieren.«
Charlie kam auf sie zugeschlendert, den Arm um eines der Mädchen gelegt, die er als »Prinzessin Lachendes Wasser« vorstellte. Sie revanchierte sich mit einem irrsinnigen Kichern.
»Wir sollten uns bald auf den Weg machen, meine Liebe«, sagte Charlie zu Fritzi.
Sie zögerte, wünschte, Loy möge sie zur Seite ziehen und um ein Wiedersehen bitten. Konnte sie es wagen, ihn zu fragen? Irgendwie brachte sie es nicht fertig.
»Ich hoffe, wir sehen uns wieder, Loyal.«
»Hätte nichts dagegen.«
Mein Gott, nichts dagegen? War das alles?
»Könnte ja in einem Ihrer Filme arbeiten, man kann nie wissen.«
Ohne auf Charlies Blick zu achten, machte sie noch einen Versuch. »Es wäre schön, wenn wir uns vorher mal wiedersähen.«
»Klar doch, vielleicht ergibt’s sich ja.«
Wann? Wo? schrie sie stumm. Er schüttelte ihr die Hand, ohne etwas zu sagen. Charlie räusperte sich.
Langsam zog Fritzi ihre Hand zurück. Charlie, dem es nicht entging, welche Wirkung Loy auf sie hatte, nahm ihren Arm, um sie zu stützen, als sie weggingen. Sie hätte sich gern umgedreht und wäre zurückgelaufen, um ihn noch einmal zu sehen, wenn sie sich damit nicht zur Vollidiotin gemacht hätte.
Auf der Fahrt den Pazifik entlang sagte Charlie schließlich: »Ist dieser Cowboy der, den Sie meinten, als Sie sagten, es gäbe einen anderen?« Fritzi nickte. Sie sah Loys Gesicht vor sich in der Scheibe des weißen Mondes. »Sie mögen ihn sehr, nicht wahr?«
»Ja. Ich weiß auch nicht warum.«
»Wer kann amour schon erklären? Und wozu auch? Man soll sie genießen. Was wissen Sie über ihn?«
»Er stammt aus Texas. Er ist ungebunden. Das ist alles.«
»Ich weiß nicht, ob er zum Heiraten taugt. Könnte eher der Hotelzimmertyp sein. Darin bin ich Experte, ich bin selbst der Typ.«
Sie lachte und stupste ihn mit dem Ellbogen an.
»Als ob ich das nicht wüßte.«
63. SÖLDNER
Im Dezember 1913 hatte René entschieden, sich nicht mehr mit dem mageren Einkommen aus der Luftschau zufriedenzugeben; er wollte mehr verdienen. Aus diesem Grund hatte er sich die Vorschläge zweier Herren angehört, die in Presidio, Texas, auf ihn zugekommen waren. Sie trugen weiße Leinenanzüge und Panamahüte statt Armeeuniformen.
Sie machten René einen interessanten Vorschlag, den er akzeptierte, denn in seiner Truppe wurde diktatorisch und nicht demokratisch entschieden. Er stellte seine Männer vor die Wahl, mitzumachen und für die Federalistas im Kriegsgebiet zu fliegen oder auszuscheiden. Zu Carls Bedauern nahmen alle an, einschließlich Harvard. Die Offiziere in Zivil kamen nach Kalifornien, um bei Martin einen Doppeldecker für fünftausend Dollar zu kaufen, der umgebaut und ausgestattet werden sollte wie Sonora, der Bomber, mit dem die rebellischen Söldnertruppen im Nordwesten von Mexiko flogen.
Zwei Wochen später stiegen René und Tom Long in zwei Laster mit den verpackten Teile der Martin. Sie bestachen die Beamten an der Grenze, die sie daraufhin unbehelligt passieren ließen. Carl und Harvard fiel die Aufgabe zu, die Curtiss und die Bleriot hinüberzufliegen. Sie flogen bei Nacht, der Flug war kurz, aber gefährlich. René und Tom zündeten in der Wüste Fackeln an, um die Landebahn zu markieren. Ein Windstoß hätte Carl und der Bleriot beim ersten Landeversuch beinahe den Garaus gemacht. Mit dem linken Flügel rasierte er die Spitze eines hohen Kerzenkaktus, zog die Maschine blitzschnell steil nach oben, machte eine Kehrtwende und landete dann sicher, aber mit vor
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