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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Mädchen brachten Platten und Schüsseln mit silbernen Deckeln herein. Der Hauptgang bestand aus Sauerbraten mit dicker, fetter Soße und Rotkohl. Alle häuften ihre Teller voll, auch Fritzi bediente sich, obwohl ihr der Appetit vergangen war. Die deutsche Hingabe an das Speiseritual war auch etwas, was sie mit diesem Raum an Erinnerung verband. Ilsa hielt beharrlich an ihrer aufgesetzten Fröhlichkeit fest. »Nach dem Essen muß uns Fritzi von Kalifornien erzählen. Es ist so weit weg und so faszinierend. Ich möchte es gern eines Tages sehen.«
    »Südkalifornien ist wunderschön«, stimmte Fritzi zu. »Das Klima soll angeblich milder und sonniger sein als das am Mittelmeer.«
    Der General legte seine Serviette zur Seite. »Ich glaube nicht, daß ich Zeit für einen Reisebericht habe. Ich erwarte in Kürze zwei Herren.«
    »Hier bei uns?« fragte llsa. »Davon hast du gar nichts gesagt, Joe.«
    »Wir gehen in mein Arbeitszimmer. Laßt euch von uns nicht stören.« Es war eine schroffe Zurückweisung.
    Carl warf seine Serviette auf den Tisch. Er ärgerte sich seiner Mutter und Schwester wegen. »Und was ist mit mir, Pa? Bist du da auch zu beschäftigt, um zu hören, was ich für Pläne habe? Ich gehe nach Frankreich und trete dort in das französische Luftwaffenkorps ein.«
    »Als Söldner«, schnaubte der General. »Deine Mutter hat es mir berichtet. Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, daß ich diesen Einfall für barbarisch halte und angesichts der offiziellen Haltung dieses Landes außerdem für unpatriotisch.«
    »Du lieber Gott«, stöhnte Joey und faßte sich an den Kopf.
    Da der General nun die Zielscheibe von Kränkungen und zornigen Blicken geworden war, erhob er sich mit unbewußtem Hochmut. »Ich versuche, mich wie ein verantwortungsvoller Bürger zu verhalten. Die beiden Herren, die gleich hier sein werden, sind Geschäftsfreunde - sie brauen wie ich gutes, bekömmliches Bier.« Er griff nach seinem Krug mit Lagerbier von Crown, einem Muß bei jeder Mahlzeit. »Wir planen eine Zeitungskampagne, um die sogenannte Neutralität des Präsidenten zu entlarven. In Wirklichkeit bevorzugt seine Politik Großbritannien gegenüber Deutschland. Wenn Wilsons Neutralität gleichbedeutend damit wäre, Nahrungsmittel, Medikamente und Waffen an beide Seiten in gleicher Menge zu verkaufen, dann könnte ich das noch akzeptieren. Aber das ist nicht der Fall. Die ganze Ostküste - Zeitungen, Universitätsdekane, die so freiheitsliebenden Intellektuellen, die Waffenhändler -, alle bewundern die Alliierten und verdammen das Vaterland.«
    »Vielleicht mit gutem Grund«, begann Carl. »Mein Freund René meinte ...«
    Der General knallte den Bierkrug auf den Tisch. »Bring mich nicht noch mehr in Rage, junger Mann. Ich schäme mich zutiefst für das, was du tust.«
    Fritzi konnte sich nicht mehr zurückhalten. »Carl sollte tun, was er tun will. Er ist ein erwachsener Mann.«
    Der Blick des Generals ließ sie in sich zusammensinken. »Ich habe erwartet, daß du das sagst, wo dein ganzes Leben eigensinnig und selbstsüchtig ist. Ohne auf die Wünsche deiner .«
    »Joe.« flüsterte Ilsas schrill. »Kein Wort mehr, um Himmels willen!«
    »Es tut mir leid, meine Liebe« - es tat ihm nicht leid -, »ich habe deutsches Blut in mir und du auch, obwohl du das immer mehr zu vergessen scheinst.« Ilsa saß reglos auf ihrem Stuhl. Der General nahm einen Schluck Bier, tupfte sich mit der Serviette den Schnurrbart ab und erhob sich. »Ihr entschuldigt mich bitte, die Besucher werden gleich hiersein, und ich habe zu arbeiten.«
    Er marschierte hinaus. Ilsas Stimme zitterte, als sie sich an Fritzi wandte: »Bitte, Liebchen, iß noch etwas, es ist eine Sünde, Essen wegzuwerfen.«
    Die Worte fielen in eine bedrückende Stille. Fritzi starrte auf ihren Schoß. Carl blickte unmutig auf seinen Teller. Joe junior zündete sich eine Zigarette an, ein säuerliches Grinsen auf dem fahlen, verhärmten Gesicht.
70. PARTEINAHME
    Jedes Jahr mietete Joe Crown denselben großen Ballsaal im Palmer House und engagierte dieselben Musiker vom städtischen Symphonieorchester, welche die Gäste während des Essens leise unterhielten und anschließend zum Tanz aufspielten. Die Gästeliste spiegelte das gesellschaftliche Leben der Crowns in Chicago wider: nicht nur Brauereimitarbeiter und ein halbes Dutzend Konkurrenten, sondern auch einheimische Politiker, darunter Bürgermeister Carter Harrison, waren geladen. Dazu Gemeindemitglieder der Lutherischen Kirche

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