Fremde Federn
St. Paul sowie Mitglieder der Clubs, denen der General angehörte -Union League, Deutscher Club, Schwäbischer Club. Ilsa lud Frauen ein, die sie von ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Hull House her kannte. Die unverheiratete Gründerin Jane Addams kam allein. Alles in allem waren es etwa zweihundertfünfzig Gäste, es wurde ebensoviel Deutsch wie Englisch gesprochen.
Das Fest wurde mit zunehmendem Alkoholkonsum immer lauter: nicht nur Krüge mit Bier von Crown, hell und dunkel, auch Champagner, Liebfrauenmilch, Riesling und rote Frankenweine wurden kredenzt, sondern auch moderne Cocktails, obwohl der General letztere nicht guthieß.
Ilsa sah sehr elegant aus in ihrem Abendkleid aus schwerem gelbem Satin mit breiter Spitzeneinfassung am Ausschnitt. Es war längst aus der Mode, aber es war ein Lieblingskleid des Generals. Fritzi hatte ihr teures Kleid in Los Angeles gekauft. Das anliegende Oberteil aus besticktem schwarzem Chiffon betonte ihren schlanken Oberkörper. Der Rock war aus smaragdgrünem Samt und gerade kurz genug, daß man ihre silbernen Schuhe sehen konnte.
Der Frack des Generals saß wie angegossen, was man bei den Anzügen von Joe junior und seinem Bruder nicht behaupten konnte. Ihre Anzüge kamen aus dem Leihhaus und waren ausgebeult, die Brüder erinnerten Fritzi an zweitklassige Komödianten in einem billigen Zweispuler.
Sie kannte kaum jemanden, aber deshalb brauchte sie sich nicht zu sorgen, denn die Gäste kannten sie. Sie stellten sich vor und gratulierten ihr zu ihrem Erfolg. Eine Frau meinte schwärmerisch: »Sie können sich glücklich schätzen, meine Liebe. Filmschauspieler sind Amerikas neuer Adel.« Ein aufregender Gedanke, den sie allerdings nicht ihrem Vater mitteilen würde.
Man aß jeweils zu zehnt an runden Tischen. Fritzi saß am Tisch mit einem Konkurrenten der Brauerei namens Mingeldorf, seiner Gemahlin, dem Bürgermeister und dessen Frau, zwei Paaren aus der Kirchengemeinde sowie Crowns Braumeister, einem Witwer. Ilsa hatte mit der Hotelküche zusammen ein echtes deutsches Menü für die Gäste zusammengestellt. Als Hauptgang gab es Kalb, Rind und Lamm, dazu Kalbsbries, sechs verschiedene Gemüse, Knödel, Bratkartoffeln, verschiedene Brötchen, westfälisches Schwarzbrot und Pumpernickel, als Abschluß eine köstliche Nachspeise, danach Kaffee mit Schlagsahne.
Toasts auf das Jubelpaar wurden ausgebracht. Der General erhob sich zuletzt.
»Meine Damen und Herren, liebe Freunde. Jeder von Ihnen ist mir und meiner Frau ans Herz gewachsen« - Fritzi blickte auf ihre Hände -, »aber heute will ich, wenn Sie gestatten, nur von einer sprechen.« Er hob sein Glas. »Auf dich, Ilsa. Vor vielen Jahren habe ich eine Blume gefunden, aus der ein Schatz wurde. Ich bin der glücklichste aller Männer.«
Alle Gäste erhoben sich und klatschten. Ilsa betupfte sich die Augen. Carl applaudierte lebhaft; Joey stieß einen Pfiff aus. Die Musiker stimmten den Kaiserwalzer an. Joe führte Ilsa unter aufbrausendem Applaus auf die Tanzfläche.
Joey verschwand, wahrscheinlich für den Rest der Nacht. Fritzi sah, wie sich Carl noch ein Glas Champagner einverleibte und sofort den Ober herbeiwinkte, um sein Glas mit dunklem Bier zu füllen. Ein wenig später, sie plauderte gerade mit Jane Addams, hörte sie Carls laute Stimme. Mit Entsetzen sah sie, daß er im Gespräch mit Otto Mingeldorf von einem Fuß auf den anderen wankte.
»Sie werden sich doch nicht gegen die Wünsche Ihres eigenen Präsidenten stellen?« fragte der Brauer beleidigt. Carl hatte ihm offensichtlich von seinen Plänen erzählt. Mingeldorf hob warnend den Zeigefinger. »>Meine Landsleute, wir müssen uns mit Wort und Tat unparteiisch verhalten.« Das waren exakt Wilsons Worte.«
»Aber sicher doch, Otto«, sagte Carl großspurig. »Nur was ist, wenn er unrecht hat?«
Der General hörte auf zu tanzen. Das Stimmengewirr wurde leiser, alle wandten ihre Aufmerksamkeit Carl zu. Mingeldorfs Frau versuchte, ihren Mann wegzuziehen, aber der wollte weiterstreiten.
»Was du da sagst, ist einfach unglaublich! Hier geht es ums Prinzip. Ums Prinzip!« Er bekräftigte seine Worte, indem er mit der Faust in die Hand schlug. »Deutschland und seine Verbündeten müssen sich gegen Unwahrheiten und unbewiesene Anschuldigungen wehren ...«
»Du meinst wohl die furchtbaren Geschichten, die man aus Belgien hört?«
»Lügen! Was glaubst du, wer sie aufbringt? Die Propagandaministerien in London und Paris. Ich habe ähnlich Grauenhaftes über die
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