Fremde Federn
engagieren, vergaß aber seine Abneigung, als er die niedrigen Kosten auf dem Tisch liegen hatte. Sämtliche Kostüme konnten zu einem Sonderpreis geliehen werden. Hobart war zwar kein gefragter Bühnenschauspieler mehr, aber er hatte noch immer einen Namen. B. B. fand, daß sein Name Libertys Liste von Vertragsschauspielern zusätzlichen Glanz verleihen würde. Als Hobart den Fluch erwähnte, der auf dem Stück liege, reagierte B. B. aufbrausend.
»Wer glaubt denn solchen Humbug? Sie haben selbst gesagt, es sei ein Aberglaube unter Theaterleuten. Wir sind beim Film! Neu, modern. Jedem, der Ihnen, Hobie, in diesem Film an den Pelz geht, legt B. B. Pelzer persönlich das Handwerk.«
Hobart wollte Arbeit und schwieg deshalb ohne weitere Einwände.
Der Regisseur des Films war neu bei Liberty. Es handelte sich um einen sturen Wiener namens Polo Werfels. Wie er selbst zugab, war er früher unter anderem Motorradrennen gefahren, Vertreter für Feuerwerkskörper und Messerwerfer im Zirkus gewesen. Er trug eine schwarze Augenklappe, nannte alle dollink statt darling und rauchte mehr Zigarren als Paul. Er trieb seine Schauspieler und sein Team unbarmherzig an, immer mit den gleichen Worten: »Bewegen Sie Ihren Arsch, dollink, Sie kosten die Firma Geld.«
Kelly fand ihn großartig.
Eddie bat Fritzi in sein Büro und überreichte ihr das getippte Drehbuch für Tapeten-Nell; die Dreharbeiten sollten am kommenden Montag beginnen. Eddie strahlte wie ein stolzer Vater, während Frit-zi die ersten beiden Seiten überflog.
Sie schleuderte ihm das Drehbuch auf den Tisch. »Also diesmal soll ich in einen Eimer mit Klebstoff treten und mich wie eine Mumie in Klebepapier einwickeln. Großartig!«
»He, Fritzi, was soll das? Das bist nicht du!«
»Oh, Eddie, ich weiß nicht. Alles läuft schief.«
Der Tag nahm eine unerwartete Wendung, als B. B.s Typistin, Miss Lewy, an Eddies Tür klopfte. »Da ist ein Herr draußen, der nach Ihnen fragt, Fritzi. Schnittiger Typ«, fügte Miss Lewy mit Augenrollen hinzu.
Fritzis jähes Herzklopfen war so schnell verschwunden, wie es gekommen war; »schnittig« war kaum eine Bezeichnung für Loy. Mißmutig, denn sie hatte das Gefühl, ausgenutzt zu werden, trat sie auf die vordere Veranda. Auf der Straße sah sie einen glänzenden roten Reo stehen, aber nirgends sah sie Besuch. Erst als sie hinaustrat, entdeckte sie ihn, wie er vom Ende der Veranda den Blick über das Gelände schweifen ließ.
»Harry? Bist du das?«
»Ja, ich bin’s. Wie geht es dir, Fritzi?«
»Was führt dich nach Los Angeles?« Als könnte sie es sich nicht denken.
»Ich war neugierig. Ich war in San Francisco und bin dann die Küste entlang bis nach Big Sur gefahren. Und jetzt möchte ich gern deine Stadt sehen und erfahren, wie Filme gemacht werden. Ich habe noch einen ganzen Tag, bevor ich wieder zurück muß.«
Fritzi wußte nicht recht, ob »schnittig« das richtige Wort war, um Harrys Aussehen zu beschreiben. »Elegant« wäre passender gewesen; elegant und reich. Sein dezent gestreifter Dreiteiler aus grauem Wollstoff war modisch geschnitten, bis oben hin geknöpft. Die Hosen hatten makellose Bügelfalten. Seine Lacklederschuhe glänzten, und aus seiner Brusttasche lugte ein auffallend gelbes Tuch wie eine exotische Blume hervor. In den Händen drehte er einen flotten, weichen Filzhut.
»Es ist wunderbar, dich zu sehen«, sagte sie mit gespielter Begeisterung, denn begeistern konnte sie zur Zeit nur ein Mann. »Ich zeige dir gern die Stadt ...«
Sie hielt inne, bestürzt. Harry hatte so gestanden, daß sie ihn nur von links, nicht von rechts hatte sehen können. Als er sich drehte, sah sie den breiten Trauerflor.
»Oh, nein! Deine Frau?« entfuhr es ihr. Harry nickte ernst.
»Ich mußte ja damit rechnen, aber deswegen ist es nicht leichter. Flavia ist vor fünf Wochen entschlafen. Ich bin noch dabei, alles zu regeln.«
»Es tut mir ja so leid, Harry.«
»Danke. Ich konnte Flavia nicht katholisch beerdigen, wie sie es gewollt hätte. Wir hatten nur standesamtlich geheiratet, und weil ich Jude bin, wurde sie automatisch exkommuniziert. In den Augen der Kirche lebte sie in Todsünde. Ein Gott, der einem guten Menschen wie Flavia solche Schuld aufbürdet, ist kein Gott für gescheite, feinfühlige Menschen.« Er seufzte. »Verzeih, aber hin und wieder packt mich der Zorn. Flavia hat ihr Glaube so viel bedeutet, aber sein Trost wurde ihr verweigert. Wir haben einen Priester gefunden, der das auch für falsch
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