Fremde Federn
Angst, unzulänglich zu sein. Ihr Körper, ihr Mund, ihre Haut, ihre Beine, die ihn umschlangen, schienen von Feuer erfaßt. Die Leidenschaft hob und schüttelte sie mit einer süßen, ungestümen Wucht, die alles übertraf, was sie je gespürt hatte.
Als sie danach im heißen und zerwühlten Bett nebeneinanderlagen, streichelte Fritzi ihn und strich ihm das lange, feuchte Haar aus dem Nacken. Draußen prasselte der Regen nieder, glänzend wie silberne Perlen. Sie starrte eine Weile hinaus, dann rief sie: »Du hast vergessen, das Licht am Auto auszumachen.«
Er drehte sich zum Fenster. »Du hast recht. Mist! Hatte den Kopf woanders. Zu spät.« Er beugte sich über sie und küßte ihre Mundwinkel.
»Woher wußtest du, wann ich nach Hause kommen würde?«
»Ich hab’ überhaupt nichts gewußt. Windy hat mir erzählt, daß du nach mir gefragt hast, deshalb war ich schon mal hier. Habe mit deiner Freundin Lily gesprochen.«
»Hast du mit Mrs. Hong gesprochen?«
»Die hab’ ich noch nie gesehen.« Er strich über ihre nackte Brust. Seine Handfläche war rauh, die Berührung jedoch sanft. »Ich hab’ das nicht geplant, das mußt du mir glauben.«
»Na ja, ich war ja nicht gerade unkooperativ«, erwiderte sie und lachte verlegen.
Er lachte auch. Dann küßte er die warme Mulde an ihrem Hals. »Kriegst du jetzt Probleme mit der Vermieterin, weil wir hier oben zusammen sind?«
»Die Hongs kommen erst ganz spät nach Hause. Sie machen im-mer noch ihren Chop-Suey-Stand sauber, bevor sie schließen. Und Lily würde höchstens lachen. Wenn ich es zuließe, würde sie sogar applaudieren. Sie hält mich nämlich für ’ne Art Nonne.«
»In der letzten halben Stunde warst du es bestimmt nicht.« Es war wahr; sie hatte die Freude der Hingabe erlebt und die Erleichterung, es ohne alle Erwartungen über den Augenblick hinaus zu tun. Trotzdem war sie besorgt:
»War es wirklich in Ordnung?«
»Aber natürlich. Hätte nicht besser sein können.«
Der Regen prasselte gegen die Fenster. Fritzi zog das gestärkte Laken über sich, sie fröstelte, weil ihr Körper auskühlte.
»Bist du sicher? Ich habe gefürchtet, mein Mund ist zu schmal und meine Hüften sind zu breit. Und damit« - sie zeigte mit der Hand auf ihren Busen - »kann ich mich auch nicht brüsten.«
»Psst, soll ich vielleicht zum Gericht gehen und auf die Bibel schwören? Du bist wunderbar, so wie du bist.«
Er legte die Hand unter den Nacken und dachte nach. »Ich glaube, ich kenne niemanden, der ganz zufrieden mit sich ist. Nimm mich. Ich hasse den Namen, den mir meine Mutter gegeben hat. Loyal, was für ein Name soll das sein? Ihr Großvater hieß so. In meinen Ohren klingt er weibisch.«
»Es ist ein schöner Name. Schön und stark.«
»Ich weiß nicht. Ich wünschte, sie hätten mir einen ganz normalen Namen wie Jim oder Bill gegeben. Wegen meines Namens bin ich in der Schule in alle möglichen Streitereien geraten, kannst du mir glauben.«
Er schwieg eine Zeitlang, bevor er fortfuhr: »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber ich möchte, daß du weißt, daß ich nicht einfach nur zum Spaß mit dir ins Bett gegangen bin. Ich mag dich, ich mag dich sehr. Aber ich möchte nicht, daß du erwartest .«
Sie legte einen Finger auf seinen Mund. »Du brauchst nicht weiterzusprechen. Ich habe doch schon gesagt, daß ich keine Erwartungen daran knüpfe. Ich weiß, was du davon hältst, seßhaft zu werden.«
Er legte die Wange auf ihre Schulter. »Das Vagabundieren liegt mir wahrscheinlich im Blut. Aber das ist nicht alles. Da ist noch meine Schwester Clara.«
»Im Heim.«
»Ja. Du hast ein Recht, die ganze Geschichte zu erfahren.«
»Loy, ich bitte dich gar nicht ...«
»Ich will es dir aber erzählen. Erinnerst du dich, daß Mr. Pelzer mir eine Rolle angeboten hat, die ich abgelehnt habe? Ich habe abgelehnt wegen meiner Schwester in diesem gottverdammten Heim. Ich bezahle für bessere Pflege als die, die man eigentlich in einem Armenhaus bekommt. Die Menschen dort werden in einem Flügel eingesperrt, der die reinste Hölle ist. Zimmer wie Zellen. Essen nicht viel besser als Schweinefutter. Für eine gewisse Summe im Monat kriegt meine Schwester eine Kammer mit Fenster. Besseres Essen. Hin und wieder eine Haarwäsche.« Seine Stimme wurde leiser und heiser vor Schmerz.
»Ich möchte nicht, daß mein Gesicht auf einer Leinwand in Texas erscheint. Wenn mich jemand erkennen würde, wäre man mir bald auf den Fersen. Wenn sie mich einsperren, kann
Weitere Kostenlose Bücher