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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mit so kläglicher Ausbildung in die Luft zu schicken war für Carl schlimmer als Mord.
    Carl zog sein Flugzeug nach oben und wendete gleichzeitig. Dann drückte er die Spitze nach unten und spürte sofort das heftige Vibrieren der Flügel, das sich auf den Rumpf übertrug. Unbeirrt hielt er an seinem Sturzflug fest und befand sich bereits nach wenigen Sekunden über der Fokker, wo er sofort den Knopf betätigte, mit dem aus dem großen Lewis-Geschütz gefeuert wurde, das über ihm auf dem Oberflügel befestigt war.
    Die erste Runde ging daneben. Er tauchte unter die Fokker und drehte ab. Sofort nahm die Fokker die Verfolgung auf.
    Carl flog der Sonne entgegen. Die Maschinengewehre der Fokker ratterten los und schlugen kleine Löcher in seine Bébé, knapp einen halben Meter hinter der Pilotenkanzel. Er riß den Steuerknüppel zurück, und das Flugzeug stieg steil aufwärts.
    Kurz bevor er sich zu überschlagen drohte, drückte er den Knüppel in die andere Richtung und fiel genauso steil wieder ab. Wieder spürte er das gewaltige Vibrieren der Flügel. Aber es war ihm gelungen, die Fokker abzuschütteln.
    Nach dem Ausweichmanöver flog Carl wieder auf seinem ursprünglichen Kurs. Er überholte das deutsche Aufklärungsflugzeug. Der Bordschütze versuchte seine Waffe auf ihn zu richten, war aber zu langsam. Als Carl ein gutes Stück zwischen sich und die Aviatik gebracht hatte, erschien dahinter plötzlich wieder die Fokker, tauchte kurz unter dem anderen Flugzeug ab, zog dann wieder nach oben und verringerte den Abstand zu Carls Nieuport stetig.
    Ein weiteres Wendemanöver, und Carl flog mit vollem Beschuß auf die Fokker zu. Die Fokker erwiderte den Beschuß und traf Carls Propeller. Ein Splitter riß ihm eine blutende Wunde ins Gesicht.
    Die beiden Flugzeuge befanden sich nun auf Kollisionskurs und feuerten ohne Unterlaß aufeinander. Carl konnte das jugendliche Gesicht des feindlichen Piloten, sein blondes Haar und den angespannten Kiefer deutlich erkennen. Nur noch Carls Hände und sein Wille kontrollierten das Flugzeug. Der Rest seines Körpers befand sich in wilder Panik. Seine Blase entleerte sich.
    Eines seiner Geschosse traf den Benzintank des Deutschen. Die Druckwelle der Explosion erschütterte seine eigene Maschine, und der rote Feuerball, der auf ihn zuschoß, versengte ihm das Gesicht. Wie ein Wahnsinniger drückte er die Maschine nach unten und konnte gerade noch rechtzeitig der tödlichen Gefahr ausweichen. Die Nieuport wackelte und bebte. Die Tragflächenbespannung riß an manchen Stellen, und einzelne Fetzen lösten sich. Carl versuchte verzweifelt, den Sturzflug abzufangen, und dachte dabei: Erster und letzter Abschuß an einem Tag.
    Tausend Fuß über dem Boden reagierte das Flugzeug endlich. Ein paar Augenblicke flog er mit geschlossenen Augen, bis er spürte, wie das Zittern in den Flügeln nachließ und schließlich aufhörte. Dann blickte Carl nach oben und sah gerade noch, wie die Aviatik in den Wolken das Weite suchte.
    Seine Hose war zum Glück wieder trocken, als er landete. Er übergab die Nieuport dem Mechaniker und lief zu einem offenen Stabsauto, das ihn zu dem Schloß bringen würde, wo seine Schwadron Quartier bezogen hatte. Flieger fuhren und schliefen stilvoll -sie dinierten auch entsprechend. Beim Abendessen in der Messe - es gab köstlichen Fisch und eine gute Flasche Graves - lauschte Carl den Worten seines Kommandeurs Major Depardieu:
    »Gute Arbeit heute. Ihr Kollege Rossay war während des Einzelkampfes über Ihnen und hat den Abschuß bestätigt.«
    Die Messe in der großen Halle des Schlosses war voller Menschen und die Luft rauchgeschwängert. Von den sechzehn Piloten, die regelmäßig flogen, waren zwölf anwesend, sie spielten Klavier, lachten und warfen mit kleinen Pfeilen auf Postkarten an der Mitteilungstafel. Die Karten stammten von einer deutschen Firma namens Sanke und zeigten Konterfeis deutscher Helden im Luftkrieg, von denen Oswald Boelcke und Max Immelmann am deutlichsten erkennbar waren.
    Der Major nahm das Monokel aus dem Auge. »Sie sind sich der Tatsache bewußt, daß die Bespannungen von Bébés Tragflächen dazu neigen, sich zusammenzuziehen und zu lösen, wenn man die Maschine zu steil nach unten fliegt?«
    »Ja, Sir, davon habe ich heute eine Kostprobe bekommen. Allerdings konnte ich nicht lange darüber nachdenken, ich war ziemlich beschäftigt.«
    »Natürlich.« Depardieu stieß mit seinem Cognacschwenker leicht an den von Carl. »Es ist trotzdem

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