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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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einer benachbarten Kabine zerrte seine ohnmächtige Frau auf den Flur. Der Mann war jung, blond und britisch; B. B. hatte mehrfach Whist mit ihm gespielt. Das Schlingern des Schiffs drückte ihn gegen B. B. den er mit einem Fausthieb zur Seite beförderte. »Aus dem Weg, fettes Judenschwein!« Er zog seine Frau in Richtung Treppe.
    B. B. drehte am Knauf der Kabinentür. Sie klemmte. Mit einer Kraft, die er sich nicht zugetraut hätte, trat er die Tür ein und stürmte in den Raum, gerade als sich der Überseedampfer noch ein Stück weiter auf die Seite legte. Mit dem Gesicht voran landete er auf dem Teppichboden. Sophie schrie auf und half ihm auf die Beine. Die Schubladen schossen aus der Kommode. Gläser und eine hübsche Vase fielen herunter und zersprangen in tausend Scherben.
    »Sophie, wir müssen zu den Booten.«
    »Ich bin bereit.« Sie hatte sich bereits für die Ankunft an Land umgezogen und trug den dunkelbraunen Umhang mit Nerzkragen, den sie sich für die Reise gekauft hatte. Ihre Augen unter dem schwarzen Samthut mit den langen Federn waren groß und dunkel.
    »Laß den Hut hier, er ist nur im Weg.«
    »Benny, ich habe zwanzig Dollar für ...«
    »Laß den Hut hier!« Er wollte eigentlich nicht laut werden oder ihr Handgelenk so fest packen, aber sein Herz hämmerte, Schreie gellten durch die Gänge, und das Schiff neigte sich alle paar Sekunden ein Stück weiter zur Seite. Er stürzte durch den Korridor und zog Sophie mit sich. »Bleib hinter mir.«
    B. B. ignorierte den stechenden Schmerz in seiner Brust und sprintete wie ein Footballstürmer zum Treppenschacht. Er war übergewichtig und untrainiert, aber von wilder Entschlossenheit. Wenn sie das Bootsdeck erreichten, würden sie überleben. Bootsdeck, Sektion Zwei, Backbord, das war sein Ziel.
    Rauch und Ruß aus den Ventilatoren nahmen ihnen auf der Treppe die Sicht. Die Passagiere schrien sich an und stießen sich aus dem Weg, aber die Kraft der Verzweiflung trieb B. B. unermüdlich vorwärts. Er ließ Sophies Hand nicht los, während er sich Stufe für Stufe nach oben kämpfte. Ein Gefühl des Triumphes durchflutete ihn, als sie durch die Tür auf das Bootsdeck stolperten.
    Chaos! Die Backbordrettungsboote, viele davon schon halbvoll, konnten nicht hinuntergelassen werden, weil die Neigung des Schiffs sie nach innen, über die Reling, schob. Unzählige Menschen drängten sich in die faltbaren Rettungsboote darunter, obwohl verzweifelte Deckoffiziere immer wieder mit lautem Gebrüll darauf hinwiesen, daß diese Boote erst zu Wasser gelassen werden konnten, wenn die regulären Rettungsboote aus dem Weg waren. Von allen Seiten stürmten weitere Hiobsbotschaften auf B. B. ein:
    »Nicht genug Schwimmwesten.«
    »Wo sind sie?«
    »Sie müßten eigentlich hier sein.«
    »Das Schiff geht unter!«
    Das Deck lag inzwischen so schräg, daß alle nach vorn geschoben wurden, wo sie über Deckstühle stolperten. Das Aufhängungsseil eines Rettungsboots riß an der Talje. Rettungsboot Zwei stürzte hinunter und begrub die Passagiere in dem faltbaren Boot darunter. B. B. sah Blut, Arme und Beine, geknickt wie Streichhölzer. Fast gewaltsam schob er Sophie zurück zur Tür. »Auf dieser Seite kommen wir nicht von Bord.«
    Rußverschmierte Köche, Stewards und Heizer strömten in die Aufzugshalle, und anderes Schiffspersonal drängte über die Treppe herauf, nicht weniger von Todesangst erfüllt als die Passagiere und ebenso verzweifelt entschlossen, der Katastrophe zu entkommen. B. B. kämpfte sich nach steuerbord durch, sah gleich links ein halbvolles Rettungsboot und hastete mit Sophie darauf zu. Er zwang sie, auf die Reling zu klettern. Mit einer Hand schob er ihre ausladende Hüfte in das Boot. Eine kleine Gruppe beherzter Offiziere versuchte, Faltboote von den Bootsklampen zu lösen und ihre Seitenwände aus Leinen aufzurichten. Aus den Ventilatoren drang weiterhin unablässig Rauch und Ruß.
    Die Lusitania neigte sich wieder ein Stück. Das Rettungsboot wurde dadurch noch weiter vom Schiff weggeschwenkt, als B. B. auf die Reling stieg. Wie ein Hochseilartist versuchte er, mit kreisenden Bewegungen der Arme die Balance zu halten. Sophie stand auf und lehnte sich gegen das Dollbord. Sofort begannen andere Passagiere auf sie einzuschreien, sie solle sich setzen, und der Decksoffizier brüllte: »Boot Nummer zwei zu Wasser lassen! Zu Wasser lassen, verdammt!«
    »Benny, spring!« schrie Sophie. B. B. sprang.
    Eine kurze Weile schien er schwerelos über dem

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