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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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nickte. »Stimmt. Der arme Teufel war grade mal vierzig.«
    Manchester zog ein großes Taschentuch hervor und tupfte sich die Wangen ab. »Tragisch. Aber es hat nichts mit uns zu tun.«
    »Vielleicht doch«, flüsterte Ida Whittemeyer. »Wir spielen die Schottische Tragödie .«
    Manchester bat die Schauspieler, sich zu den im Halbkreis aufgestellten Stühlen zu begeben. Sie lasen den Text vom Blatt. Hobart und Mrs. Van Sant kannten einen Großteil ihrer Texte auswendig.
    Fritzi war hingerissen von Manchesters Hauptdarstellerin. Sie strahlte eine unbändige Energie aus. In Verbindung mit der tiefen Stimme erzeugte sie eine grandiose Wirkung. Aber nicht auf den dunklen, freundlich wirkenden Mann namens Mr. Scarboro. Er war ihr Banquo. Fritzi ertappte ihn dabei, wie er die Nase kräuselte. Sie vermutete künstlerische Eifersucht. Auf der Hierarchieleiter des Theaters war er bloß ein mittelmäßiger Schauspieler, kein Hauptdarsteller oder gar Star.
    Während der Mittagspause wanderte sie in den Aufenthaltsraum des Theaters, wo Mrs. Van Sant gerade Photos von der Bühnendekoration studierte.
    »Sehen Sie sich das an«, sagte die ältere Schauspielerin. »Ich war der Meinung, wir hätten eine Originaldekoration. Aber nein! Er holt sich diesen Mist aus irgendeinem Lagerhaus.« Sie drückte Fritzi das Photo in die Hand. »Und jetzt frage ich Sie, meine Kleine, ist das eine verdorrte Heidelandschaft? Oder eher eine Gartenszene aus einer komischen Oper? Die Büsche sind beschnitten. Beschnittene Büsche im schottischen Moor, also wirklich! Es war dumm von mir, dieses Engagement anzunehmen.«
    Fritzi betrachtete das Photo, dann ein zweites aus einer ganzen Reihe.
    »Schrecklich, finden Sie nicht auch?«
    Fritzi betrachtete den Entwurf des Bühnenbildes eingehend.
    »Die vielen Ebenen und Leitern sehen gefährlich aus.«
    »Natürlich sind sie gefährlich. Das ist überhaupt das gefährlichste Stück, das Shakespeare geschrieben hat. Sechsundzwanzig kurze Szenen, ein Bühnenwechsel nach dem anderen. Fast alles spielt sich nachts ab, so daß die Beleuchtung immer hinterherhinkt. Dreißig Schauspieler in Rüstungen rennen mit Schwertern herum, stoßen mit Bühnenarbeitern zusammen, marschieren mit künstlichen Bäumen hin und her und hacken aufeinander ein - wie sollte es da keine Unfälle geben?« Aus ihrer silbernen Handtasche nahm sie einen Stumpen und eine Streichholzschachtel. »Rauchen Sie?«
    »Nein, danke.«
    Mrs. Van Sant wurde fröhlicher. »Wie war doch gleich wieder Ihr Name, meine Liebe?«
    »Frederica Crown, aber man nennt mich Fritzi.«
    »Um ehrlich zu sein, Fritzi, halte ich ziemlich wenig von dem ganzen abergläubischen Unsinn, den man sich von Mac- ... unserem Stück erzählt. Aber ich möchte es mir auch nicht mit unserem guten Nick verscherzen. Ich halte mich aus Höflichkeit stets an die Regeln. Man kann ja nie wissen. Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, meine Liebe. Wir unterhalten uns wieder.«
    Sie wallte davon, den Stumpen im Mund, der eine große blaue Wolke aufsteigen ließ.
    Es dauerte nicht lange, bis die Schauspieler anfingen zu tratschen.
    »Hat Mrs. Van Sant nicht eine herrliche Garderobe?« stieß Sally Murphy überschwenglich hervor. »Wahrscheinlich bekommt sie das meiste von ihren Liebhabern geschenkt. Sie hatte drei oder vier Ehemänner, einschließlich Brutus Brown.«
    Mr. Scarboro wurde zur Zielscheibe von Verleumdungen. Seine Selbsteinschätzung stand der von Mrs. Van Sant in nichts nach, nur die Leistungen waren unterschiedlich. Er begegnete allen ziemlich überheblich, ausgenommen den beiden Hauptdarstellern. Fritzi fand seinen englischen Akzent komisch.
    »Weil er aufgesetzt ist«, sagte Mr. Allardyce, ein älterer Schauspieler mit roter Nase, der die Rolle des Pförtners spielte. Er lutschte ständig Minzbonbons, um den Geruch von Gin zu verbergen. »Ich heiße Louie Scalisi und komme aus Bridgeport, Connecticut.«
    Am Donnerstag abend eilte Manchester zum Theaterschneider; die Schauspieler waren eine halbe Stunde sich selbst überlassen. Fritzi ging wieder in den Aufenthaltsraum. Sie goß sich gerade Kaffee ein, als Daniel Jervis, ein hellhaariger junger Mann, der den Malcolm spielte, mit dem Lied Hello, My Baby auf den Lippen eintrat. Scarboro warf sein Exemplar einer neuen Fachzeitschrift namens Variety zur Seite.
    »Du dummer Schnösel, weißt du nicht, daß man in einem Theater nicht pfeift?«
    Damit beleidigte er Fritzis Sinn für Fairness. »Ach, kommen Sie, Mr.

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