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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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krank, lahm, einige sind sogar gestorben.«
    »Aber Sie haben das Risiko auf sich genommen.«
    »Ich brauche die Rolle.«
    »Mir geht es genauso, Miss Whittemeyer.«
    »Bitte nennen Sie mich Ida. Mein rechtes Auge ist das sehende.«
    In der Zwischenzeit war das ganze Ensemble eingetroffen - einunddreißig Erwachsene und zwei halbwüchsige Knaben mit lauten, unerträglichen Müttern. Der Regisseur, eine Bohnenstange namens Simkins, mahnte sie zur Ruhe. Wie auf ein Stichwort trat Manchester auf die Bühne.
    »Guten Morgen, guten Morgen. Vollzählig versammelt, wie ich sehe, sehr gut.«
    »Alle außer Mrs. Van Sant«, korrigierte Simkins.
    »Wir werden ohne sie anfangen.« Er schritt zur Vorbühne, die Hände auf dem Rücken verschränkt. »Liebes Ensemble! Wir haben uns hier zu einer anspruchsvollen Aufgabe zusammengefunden; gemeinsam wollen wir eines der herausragenden Stücke der Bühnenliteratur erarbeiten. Ich bin voller Zuversicht, daß unsere Bemühungen von Kritik und Publikum belohnt werden. Um uns auch das Glück geneigt zu machen, habe ich heute morgen dieselbe Krawatte umgebunden, die ich am Tag meines ersten professionellen Auftritts in London trug. Die Resonanz war damals sehr gut, und seitdem hat mir die Krawatte immer Glück gebracht.«
    Seine Finger strichen über die altmodische Krawatte, zwei sich überkreuzende Lappen aus verwaschenem braunem Stoff, schon leicht speckig. Fritzi bemerkte eine Hasenpfote an einer Kette, die sich über Manchesters stattlichen Wanst spannte. Ihr war, als schwimme sie in einem Meer von Aberglauben.
    »Ich möchte gerne noch etwas zum Text sagen, den ich selbst bearbeitet habe. Sie werden bemerken, daß ich die Rolle der Hecate gestrichen habe. Es ist bis heute unklar, ob diese Figur tatsächlich auf Shakespeare zurückgeht. Das gleiche gilt für die drei Hexenschwestern, aber darauf besteht das Publikum.«
    Er wurde von einem Geräusch im hinteren Teil des Theaters unterbrochen. Manchester starrte in die Richtung, aus der das Geräusch kam. »Wer ist da?«
    Eine stattliche Frau wallte durch den Mittelgang. Auf halben Weg vor der Bühne blieb sie stehen und pflanzte einen großen Spazierstock aus Elfenbein, der von einem dicken Goldknauf gekrönt wurde, neben sich auf den Boden.
    »Sie haben doch zwei Augen, Hobart. Gebrauchen Sie sie!«
    »Mrs. Van Sant. Sie kommen spät.«
    »Wir wurden draußen aufgehalten«, gab die Frau mit tiefer Stimme zurück. Sie deutete mit ihrem Stock auf einen jungen Mann, der hinter ihr stand. »Das ist Charlie, er ist Page im Astor. Nehmen Sie Platz, Charlie, und verhalten Sie sich ruhig! Mr. Manchester kann bei Proben nämlich sehr ungemütlich werden.«
    Charlie winkte und tat wie geheißen. Der gutaussehende und gutgebaute junge Mann trug einen billigen grünen Anzug und einen steifen Hut. Sally Murphy berührte Fritzis Arm. »Einer ihrer Liebhaber, wetten? Es heißt, sie habe ein Dutzend.«
    Eustacia Van Sant war ungefähr in Manchesters Alter, aber einen Kopf größer. Sie hatte eine beneidenswerte Figur, ein eckiges Gesicht, dessen strenger Eindruck jedoch durch die vollen Lippen gemildert wurde, und strahlende dunkle Augen. Ihr leuchtendrotes Haar stand in herrlichem Kontrast zu ihrem schwarzen Samtumhang und dem Kleid. Ein roter Rüschensaum lugte unter dem gebauschten Rock hervor. Auf dem Kopf trug sie einen großen schwarzen Gains-borough-Hut aus Samt, der mit Pfauenfedern geschmückt war. Ihre Aufmachung mochte vielleicht etwas altmodisch sein, doch sie schmeichelte ihrer Figur, ganz besonders ihrem aufsehenerregenden Busen.
    Manchester sagte: »Gestatten Sie mir, eines klarzustellen, Madam. Es bleiben uns gerade mal fünf Wochen bis zur Premiere. Ich erwarte von allen Mitwirkenden, daß sie zur angegebenen Stunde zur Probe erscheinen.«
    »Ach, hören Sie auf damit, Hobart! Ich habe doch gesagt, daß wir aufgehalten wurden.«
    »Und wodurch, wenn ich fragen darf.«
    »Durch einen Leichenwagen.«
    Manchester blieb der Mund offenstehen. »Leichenwagen?«
    »Ja, draußen. Da war ein Polizist mit dem Leichenbestatter. Er wollte uns nicht reinlassen, bis sie den Leichnam rausgetragen hatten.«
    Aufgeregte Rufe waren zu hören. Fritzi spürte, wie das Blut in ihren Adern rauschte. Manchester wiederholte piepsend: »Leichnam?«
    »Ein Buchhalter aus einem Büro. Lag auf seinen Akten und war mausetot.«
    Ein eisiger Windhauch schien durch das Theater zu fegen. Manchester warf einen Blick auf Pop Foy, der in der linken Kulisse stand. Foy

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