Fremde Federn
sie?«
Wieder hob Carl den Kopf. »Wenn du’s so genau wissen willst, Mr. Naseweis, ja.«
»Und sie? Liebt sie dich auch?«
»Ich glaube ja.«
»Will sie dich heiraten?«
»Was zum Teufel soll das? Bin ich hier in ein Verhör geraten?« Er schüttelte den Kopf. »Heute hat schon jemand in der Fabrik angerufen und gefragt, wo ich wohne.«
Jesse runzelte die Stirn. »Wer?«
»Irgendein Mensch von der Arbeitgebervereinigung. Rückte nicht mit der Sprache raus, warum er es wissen wollte. Ohne Angabe von Gründen gibt Ford solche Auskünfte nicht. Aber zurück zu unserem Thema? Warum fragst du mich das alles?«
»Ich will nur freundschaftlich mit dir reden. Hör mir einfach einen Moment zu.«
Carls Augen verengten sich. Er griff nach dem Krug, nahm ein paar kräftige Schlucke von dem warmen Bier, reichte Jesse den Krug und wartete.
»Du heiratest das Mädchen, und dann bist du für den Rest deines Lebens mit einer dieser Stechuhren verheiratet, die du so abgrundtief haßt. Vorausgesetzt natürlich, du willst sie glücklich machen.«
»Was sollte ich denn sonst wollen? Das klingt ja so, als wär’ ich ein gemeiner Heiratsschwindler.«
»Ich versuch’ nur, dir die Wahrheit zu sagen, sonst gar nichts.«
Carl kratzte die Innenflächen seiner Hände. Jesse zwang ihn, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, das er bisher beharrlich gemieden hatte. Er fragte leise: »Und?«
»Ich will nur eines wissen, Carl. Bist du der Typ von Mann, der einen soliden Ehemann abgibt, der einer soliden Arbeit nachgeht? Ich habe nichts gegen’s Heiraten. Ich wollte Grace Williams mehr als alles andere auf der Welt, aber sie wollte mich nicht. Also ich bin nicht gegen’s Heiraten, bestimmt nicht, aber ich bin dagegen, daß Leute heiraten und sich damit unglücklich machen. Das Leben ist auch so schon beschissen genug. Du bist mein Freund, vielleicht der beste, den ich je hatte. Die weißen Männer in der Gießerei gucken einen Nigger nicht einmal mit dem Arsch an, es sei denn, sie wollen was von ihm. Meistens wollen sie, daß er schneller arbeitet. Du bist ein feiner Kerl, Carl. Also sei vorsichtig! Überstürze nichts. Es gibt so viele weiße Mädchen, die .«
Carls braune Augen blitzten auf. »Halt die Klappe! So eine wie Tess gibt es nicht noch einmal.«
Jesse seufzte. »Hab’ mir schon gedacht, daß du so etwas sagen würdest. Hab’ also umsonst gepredigt, wie?«
»Genau.«
Aber der Samen war gepflanzt.
24. PROBE FÜR EINE TRAGÖDIE
»Plätze einnehmen!« Simkins klatschte in die Hände, während er wie eine besorgte Mutter vom Souffleurkasten auf die andere Seite der Bühne schritt. »Räumen Sie bitte die Bühne, meine Damen und Herren. Aufstellung für den ersten Akt. Die Generalprobe sollte schon eine Stunde lang laufen. Mutt?«
Hinter dem Hexenkessel in der Mitte der Bühne ging die Versenköffnung auf. Oben wurden die mit farbiger Folie abgedeckten Scheinwerfer auf die richtige Leuchtstärke heruntergedreht. Der Souffleur Mr. Entwistle eilte geschäftig an seinen Tisch hinter der Öffnung des Bühnenrahmens und setzte sich auf die rechten Seite. Hobart schritt auf Fritzi zu. Er rieb mit dem Daumen unter ihrem rechten Auge.
»Sie sind eine Zauberin aus dem Hochland und keine Indianerin. Miss Whittemeyer soll Ihnen helfen. Sie dürfen auf keinen Fall so frisch und rosig aussehen.«
Hobarts Kostüm war mit künstlichem Lehm und Blut verschmiert. Er schwitzte fürchterlich unter dem Puder und der Schminke, während er einen Schauspieler nach dem anderen kontrollierte. In der Kulisse hörte man Simkins schreien: »Wo ist Mutt?«
»Hier unten nicht«, rief einer der Bühnenarbeiter in der Klappe. Er entzündete seine Rauchtöpfe und stellte das elektrische Gebläse an, das den Rauch hinter dem Kessel in die Höhe trieb. Fritzi fand diesen Effekt billig und armselig. Sie rückte ihre zerzauste Perücke zurecht.
Ida Whittemeyer fächelte sich Kühlung zu. »Sally sollte sich lieber beeilen, wenn sie nicht auf der Stelle gefeuert werden will.« Sally war mit verquollenen Augen zu spät ins Theater gekommen.
Fritzi sah nach links zur Treppe, die zu den Garderoben hinunterführte. In dem Moment schrie Sally:
»Haltet den Dieb! Haltet ihn auf!«
Ein Mann kam die Treppe heraufgerannt und lief in Richtung Bühneneingang. Die auf der Bühne stehenden Schauspieler warteten gespannt. »Mutt!« entfuhr es Fritzi.
Sally hörte nicht auf zu schreien. Mutt machte kehrt. Pop Foy trat mit einer Feueraxt hinter ihn und
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