Fremde Männer küsst man nicht!
Kanzleiteilhaberin Christina Jones aus Bruce’ Pick-up stieg und im Sturmschritt den Weg zum Kanzleieingang zurücklegte, gefolgt von Bruce.
Oje. Reginald hatte befürchtet, dass Bruce sauer sein würde, weil seine Beförderung zum Teilhaber zu Christinas Gunsten aufgeschoben worden war. Man hatte ihm dafür aber garantiert, dass er nächstes Jahr an der Reihe war.
Es sei denn, er verlor den anstehenden Prozess gegen die Morrisville Garment Company. Das da draußen sah nicht nach einem Erfolg versprechenden Beginn der Zusammenarbeit mit Christina Jones aus.
Reginald Morris ging zurück zu seinem Schreibtisch und drückte einen Knopf der Gegensprechanlage am Telefon. „Schicken Sie Bruce zu mir, er ist gerade zurückgekommen.“
„Ja, Sir“, antwortete die Empfangssekretärin, die unten im Foyer saß.
Er nickte zufrieden. Bisher hatte er keine Gelegenheit gehabt, mit dem Jungen unter vier Augen zu sprechen, seit er aus Indianapolis zurück war. Er kannte ihn seit dessen Geburt und hatte ihn immer wie seinen eigenen Sohn behandelt. Man musste ihm nur ein wenig auf die Sprünge helfen. Und Reginald war genau der Richtige dafür.
5. KAPITEL
Während Bruce Christina über den Parkplatz nacheilte, fiel ihm ein, dass er um fünf Uhr mit Colin im Country Klub verabredet war. Er hüllte sich enger in seinen Mantel, weil ein eisiger Wind wehte. Eben hatte er sich wie ein Idiot benommen, hatte impulsiv und ohne Nachdenken auf Christinas Ankündigung reagiert, dass sie nur bis halb sechs mit ihm arbeiten konnte.
Das war gar nicht seine Art. Er hatte sich sonst immer unter Kontrolle. Was hatte diese Frau an sich, dass sie ihn so aus der Fassung zu bringen vermochte? Er wollte nichts von ihr – obwohl, wenn er an das Haremsdamenkostüm zurückdachte … Nein, sie kam nicht für eine Affäre infrage. Sie waren Kollegen, und sie hatte ein Kind. Auch wenn sie fantastisch aussah, wie sie da vor ihm in die Kanzlei stürmte.
Verdammt, fluchte Bruce im Stillen. In Indianapolis war alles so gut gelaufen, er war voller Zuversicht für diesen Diskriminierungsfall nach Morrisville zurückgekommen. Die Arbeit als Anwalt war immer pures Adrenalin für ihn, er brauchte das. Er liebte es, eine Argumentation aufzubauen, und war regelrecht high, wenn die Geschworenen oder der Richter sich dann tatsächlich von seiner Darstellung überzeugen ließen und das Urteil in seinem Sinne ausfiel.
Er wollte beweisen, dass er nicht nur durch Geburt, sondern auch durch seine Fähigkeiten Anspruch auf seinen Platz in der Kanzlei hatte. An Familie hatte er nie gedacht, und Alleinerziehende waren für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Und genau deswegen verwandelte sich sein Traumjob gerade in einen Albtraum. Die Feiertage standen bevor, und es würde keine unbeschwerte Zeit sein, wenn er nicht einen Weg fand, mit Christina Jones klarzukommen.
Plötzlich spürte er ein Kribbeln in Nacken und sah auf. Reginald Morris stand hinter seinem Bürofenster und sah unzufrieden auf ihn herab. Bruce winkte, wunderte sich aber nicht, als die Geste nicht erwidert wurde.
Die attraktiven Büroräume an den Giebelseiten des Kanzleigebäudes waren sehr begehrt. Auf der einen Seite überblickte man den Parkplatz und die Hauptstraße. Das Büro dort gehörte traditionell den Morris-Anwälten. Das Büro auf der anderen Seite mit beschaulichem Blick auf den Stadtpark blieb den Lancaster-Anwälten vorbehalten. Bruce würde es eines Tages von seinem Vater übernehmen. Aber lieber wäre ihm dieses da oben gewesen. Das war der reinste Wachturm.
Als er eiligen Schrittes in die Kanzlei trat, begrüßte ihn die Empfangssekretärin. „Mr Lancaster, Mr Morris wünscht Sie zu sprechen.“
Sie brauchte das Wort „sofort“ nicht zu erwähnen. Bruce wusste es auch so.
„Na super“, murmelte er vor sich hin und unterdrückte das unanständige Wort, das ihm eigentlich auf der Zunge lag. Er sah noch, wie sich die Fahrstuhltüren schlossen und Christinas Gesicht vor ihm verbargen.
Ein Gutes hatte dieser alte Kasten von Haus: Die Fahrstühle bewegten sich im Schneckentempo.
Bruce sprintete die Treppe hoch, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, und stand dann wie herbeigezaubert vor den Fahrstuhltüren im ersten Obergeschoss, als sie sich wieder öffneten.
„Wir müssen miteinander reden“, sagte er zu Christina und versperrte ihr den Weg aus der Fahrstuhlkabine.
Sie blickte ihn hochmütig und abweisend an. „Momentan wüsste ich nur gern, wo sich mein Büro befindet.
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