Fremden Kind
Als er es geschafft hatte, ging sie sofort quietschend wieder auf. »Lass sie einfach auf«, sagte Paul.
Er hatte Peter vage gestreift, als er lachte, jetzt lag Peters Hand um seinen Nacken, ihre Gesichter dicht an dicht in dem durch die Sträucher dringenden, spinnwebenartigen Licht, ihre Augen undurchdringlich, Gewirr aus Lächeln und Seufzen, und dann küssten sie sich, Rauch und Metall, ein sonderbares gegenseitiges Schmecken, dem sich Paul mit ungläubigem Schauder hingab. Peter drückte sich an ihn, bückte und drehte sich leicht, um sich besser an ihn anzuschmiegen, und seine Erektion, umgehend und unzweideutig, schockierte Paul mehr als der seltsame Geschmack seines Mundes. So hautnah im Halbdunkel erkannte Paul nur die Rundung von Peters Kopf, die Haare als Schattenriss und dahinter die gezackten Strauchkronen, schwarz im Nachthimmel. Er folgte seinen Bewegungen, versuchte sie zu imitieren, doch die plötzliche, erdrückende Heftigkeit des Begehrens eines anderen Mannes, alles auf einmal, instinktiv und mechanisch, war zu viel für ihn. Er zog den Kopf aus Peters beidhändiger Umklammerung und versuchte, sie in eine verspielte sehnsüchtige Liebkosung an seinem Kinn, an seiner Brust zu wenden. »Eine tolle Party«, hörte er sich sagen. »Bin ich froh, dass Mrs Keeping mich gebeten hat, den Parkplatzwächter zu machen.«
»Hm?«
»Ich wollte eigentlich nur sagen, dass ich deine Krawatte schick finde …«
Peter schob ihn ein Stück von sich und bedachte ihn mit einem abgeklärten, beinahe belustigten, beinahe selbstgefälligen Blick, wie Paul fand, als wollte er ihn mit früheren Küssen und Eroberungen vergleichen. »Ach, mein Lieber«, murmelte er, ein Lachen unterdrückend, womit er schließlich doch Verlegenheit zeigte. Sie hielten sich in den Armen, Wange an Wange, und Peters Bartstoppeln bestätigten ihm nur das furchtbare, befremdliche Gefühl, mit einem Mann zusammen zu sein. Paul war sich unsicher, ob er nicht wieder alles hoffnungslos verpfuscht hatte, so wie vorhin bei ihrer ersten Begegnung, als er hinter das Pampasgras geflohen war; oder ob dies nur als amouröse Unterbrechung gelten konnte, in der seine Verwirrung sanft bemäntelt und ihm vergeben würde. Sein Mangel an Erfahrung war ihm bereits bewusst geworden. Gleich darauf dachte er, na und, was für ein Triumph, einen Mann überhaupt geküsst zu haben! »Wir sollten vielleicht lieber zurück ins Haus gehen«, sagte er.
Peter seufzte nur und schlang seine Arme fester um Pauls Taille. »Eigentlich würde ich gerne noch ein bisschen mit dir hier draußen bleiben. Das haben wir beide uns doch verdient, oder?« Paul lachte wieder, wölbte sich ihm entgegen, packte ihn schließlich hart an, als wollte er ihn bei sich halten und gleichzeitig lahmlegen.
Alkohol und Küsse haben ihre eigene Zeit. Als sie zurückkamen, hatten sich die Reihen der Gäste gelichtet, einige ältere Herrschaften die vielen Stühle und Sessel im Wohnzimmer neu arrangiert und sich häuslich niedergelassen. Paul hatte das Gefühl, als würden er und Peter aus der nächtlichen Welt jenseits der Terrassentüren den Glanz des Unaussprechlichen ins Haus tragen, und alle würden liebenswürdigerweise so tun, als merkten sie nichts. Der Alkohol hatte sie alle im Griff, reduzierte den einen auf ein stilles Lächeln, animierte den anderen zu aufgeregtem Geplapper. John Keeping, sturzbetrunken, erklärte einem dreimal so alten Mann hingebungsvoll die Vorzüge des Portweins, den er sich gerade gönnte. Selbst Mr Keeping sah mit dem Brandyschwenker in der Hand ganz ungeniert zufrieden aus, erst als er Paul erblickte, schaute er peinlich berührt weg. Die Musik hatte noch mal gewechselt, eine alte Tanznummer wurde gespielt, für Paul klang sie wie die Untermalung einer Szene aus einem Film der Kriegszeit. Auf der freien Fläche neben dem Klavier, fast ohne sich zu bewegen, aber mit verzauberten Blicken, tanzten Mrs Jacobs und der Farmer, der sich als Mark Gibbons entpuppte, der wunderbare Maler, den sie erwähnt und der früher in Wantage gelebt hatte. Ein anderes Paar, das Paul nicht kannte, drehte sich mit doppelter Geschwindigkeit hinter ihnen. Aus der riesigen dunklen Distanz, die er gerade überwunden hatte und die alles andere reizvoll, aber doch irgendwie belanglos erscheinen ließ, lächelte Paul ihnen mild gestimmt und gütig zu. »Ich glaube, ich muss gehen«, sagte Peter zu Julian und legte ihm eine Hand auf die Schulter; Paul hätte es ihm beinahe abgekauft, obwohl er
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