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Fremdkörper

Fremdkörper

Titel: Fremdkörper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Pielhau
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Schritten und ich überlege, was ich mit so einem freien Tag noch Feines anfangen kann. Es ist ja kaum Mittag vorbei.
    Es ist übrigens schon mehr als zehn Jahre her, dass ich so viel unverplante Zeit zur Verfügung hatte wie dieser Tage. Ich kenne mich seit der 12. Klasse eigentlich nur Kalender-organisiert. Termine, Termine, Termine. Für den Friseur, das Praktikum, im Turnverein. Schülervertretung, Klassenkonferenz, Abiball. Telefonat mit Mama, Ballettstunden, Referat. Dann Taubenzüchterverein, wahlweise auch Jahreshauptversammlungen des örtlichen Tennisklubs, Artikel für die Lokalzeitung schreiben. Bewerbungen, Hausarbeit, Vorstellungsgespräch. Umzug, Hospitanz, Schnittplatz. Und so weiter. Und so fort. Zeit zu zweit oder auch mit Freundinnen musste ich in meinen Berufsalltag einbauen und festlegen wie regelmäßige Redaktionskonferenzen. Sonst hätte ich am Ende des Tages, der Woche, des Monats keine mehr dafür übrig gehabt. Und so eine wie ich sagt dann auch noch zu allem Überfluss: »Ach, man muss doch auch mal spontan sein können!« Genau. Traurig. Und wahr.
    Wobei, so traurig ist das alles im Augenblick gar nicht. Denn seit klar ist, dass ich mich zurzeit ein bisschen mehr um meine Gesundheit kümmern muss, habe ich alles außer meiner montäglichen Sendung in Köln abgesagt. Alle Zusatzverpflichtungen. Gastauftritte. Bühnenmoderationen. Seminare. Macht ja auch Sinn. Wer weiß, wie ich meine nächsten Betankungen in der Infusionsambulanz wegstecke. Deswegen besser kein kräftezehrendes 24-Stunden-Programm, damit ich schön schlaff, wie ein verblichenes Hemd auf der Leine hängen darf, wenn mir danach ist. Das hat im Umkehrschluss mit einem Mal mein Leben dermaßen freigeschaufelt von Business as usual und Business Class, dass ich mir kurzfristige Zeitgestaltung gestatten kann. Boah! Toll! Ob ich das noch hinkriege? Mal sehen. Spazierend klicke ich mich durch meine Telefonkontakte und bimmel nacheinander bei meinen Lieblingsmenschen durch. Allein, der gewünschte Erfolg bleibt aus. Von Mailbox über Dauerdurchtuten bis hin zu: »Ich kann heute leider nicht«, ist alles dabei, was gegen einen lauschigen Nachmittag im Halbkreise einer Seelenverwandten spricht. Schade. Und jetzt?
    Zu Hause angekommen, beginne ich, mir eine Liste zu machen, mit Dingen, die erledigt werden müssen. Nur nicht die Nerven verlieren. »Bad putzen« steht da zum Beispiel drauf, oder »Altglas wegbringen«. Ich liebe Listen. Erstens lichtet sich das Unwetter im Kopf durch die niedergeschriebene Übersicht. Zweitens sieht ein in Schönschrift festgehaltenes »Steuersachen sortieren« – mit großem, schnörkeligen S und theatralischem a – nicht halb so dramatisch aus, wie es dann tatsächlich ist. Und drittens finde ich es unglaublich befriedigend, einen Punkt nach dem anderen vom Zettel zu streichen. Jede weggekritzelte Aufgabe: ein Etappensieg über die innere Verweigerung. Im Moment hält aber eben die noch recht gut stand. Ich schlurfe reichlich ziellos vom Schlaf- ins Wohnzimmer und wieder zurück. Immerhin habe ich auf halber Strecke eine Maschine Wäsche in Gang, ansonsten nämlich wenig Sinnvolles zuwege gebracht. Mein Schädel brummt. Ist das noch die Dosis Zellgift oder meine Unruhe im Angesicht eines freien Nachmittags? Ich überlege kurz, ob ich meinen Kleiderschrank mal wieder ausmisten sollte. Meine Schwester kommt regelmäßig in die Verlegenheit, meine Sachen erben zu müssen. Allerdings hat sie in letzter Zeit schon so viele Ladungen bekommen, dass vermutlich bald ein WG-Zimmer voll mit Secondhand-Ware von mir gefüllt werden kann. Also Finger weg vom Hängeständer. Und das Bett? Ist gerade erst frisch bezogen.
    Am Küchentisch trommle ich ein paar Takte mit den Fingern auf der Platte und suche den Raum halbherzig nach Aufgaben ab. Irgendeine Beschäftigung wird sich schon finden. Wo sind all die nervigen, unnützen Anrufer, wenn man sie braucht? Das Handy schweigt. Ich trotte wieder Richtung Sofa. Mein Blick fällt auf unsere Spielekonsole. Wobei ich sagen muss, dass ich mit Computerspielen genau gar nichts anfangen kann. Aber da liegt ein kleines Mikrofon, das mich anlächelt. Ich lächle zurück und greife es mir. Nach vier Liedern Karaoke mit mir selbst, sinke ich grinsend und endlich etwas entspannter in die Kissen. Das war schön. Für mich wenigstens. Mal gucken, was mittags im deutschen Fernsehen so läuft. Während ich geduldig durchs Programm blättere, stelle ich für mich fest: Auch im

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