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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
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sich in der Nacht nur schlafend gestellt? Sie hatte darauf gehofft, dass er sie ansprach? Mitten in der Nacht? Susanne!
    Er hätte sie in diesem Moment küssen können. Nach all den Wochen hätte er sie in diesem Moment endlich wieder in den Arm nehmen können. Sie hatte nicht geschlafen! Sie hatte auf einen Anfang gewartet, einen echten Neuanfang, und er hatte sich heimlich die Uhr gestellt, um sich wegschleichen zu können. Pawel versuchte, sich nichts von seinen Gefühlen anmerken zu lassen, und fragte, ob er jetzt gehen könne.
    Er konnte. Es war kurz vor sieben Uhr morgens.
    Als er zehn Minuten später auf offener Straße sein Handy abhörte, war keine der dreizehn Nachrichten von Susanne. Was waren Frauen doch kompliziert! Wozu dieser Stress? Pawel sah auf Höhe des Pizzabringservices, vor dem ständig vier oder fünf Smarts standen, einen Blumenladen, der ihm noch nie zuvor aufgefallen war. Er ging hinein und sah sich um. Unschlüssig.
    »Was darf es denn sein?«, fragte der junge Verkäufer ihn, wobei er die Hände in die Hüfte stützte. »Wir haben offiziell noch nicht auf, ich bin erst am Einräumen, aber was soll’s?«
    »Rosen sind zu protzig«, überlegte Pawel laut. »Aber die Richtung. – Vielleicht diese großen, gelben, die aussehen wie eine Sonne?«
    »Sonnenblumen?«
    »Genau!«
    »Da habe ich genau das Richtige für Sie! Die haben wir vor einer halben Stunde geliefert bekommen. Ganz frisch aus der Erde, Bioerde natürlich. Wie gefallen sie Ihnen?«
    Pawel nickte, ehe er sagte: »Vielleicht kriegen Sie da einen Strauß raus? Bisschen Grünzeug mit bei, oder so?«
    »Ich weiß, was Sie meinen. Ich brauche zwanzig Minuten! Ich mache Ihnen einen asiatischen Strauß. Das ist der letzte Schrei. Die Frauen lieben asiatisch! Da verzeihen sie alles. – Und als Krönung eine einzige, wunderschöne Sonnenblume.«
    »Prächtig«, sagte Pawel: »Ich bin in einer halben Stunde wieder hier.«
    Er schlenderte bis zur nächsten Nebenstraße und fand eine Studentenkneipe, die immer noch offen hatte. Studenten! Zwar gab es in Rostock eine Universität, aber die warb damit, dass man hier gut surfen und herrlich am Strand liegen könne. Pawel stellte sich direkt an die Theke. Zu dumm, dass er vergessen hatte, wie dieser Gincocktail hieß, den er doch probieren musste! Er zeigte auf den Zapfhahn und bestellte: »Ein Großes!«
    Aus dem Raucherzimmer hörte er die Übertragung eines aufgezeichneten Fußballspieles. Das Zimmer war brechend voll, Pawel konnte es durch die Glasscheibe sehen. Sieben Uhr morgens, und die Jungs guckten immer noch Fußball! Pawel dachte wieder an seine Zeit als Hochseefischer, in der er alles über Männer und ihre Geheimnisse gelernt hatte. Er sah zum Raucherraum und sagte zum Barkeeper: »Einsamkeit hält man zusammen doch viel besser aus!«
    Stumm nickte der Mann und sah Pawel ein wenig später zu, wie er das Bier auf ex austrank und einen Fünf-Euro-Schein auf den Tresen warf. Ohne ein weiteres Wort ging Pawel hinaus und lachte über den Namen der Kneipe: Pleitegeier.
    Er holte seinen asiatischen Blumenstrauß ab, wobei er auch dem jungen Verkäufer ein prächtiges Trinkgeld gab, und sagte: »Freiheit ist Einsamkeit, und Einsamkeit ist Freiheit. Aber wer will das schon wissen!«
    Rostock bestach jedenfalls durch die Möglichkeit, Einsamkeit und Freiheit gut verbinden zu können. Vielleicht war das das Geheimnis der Rostocker? Pawel ließ seinen Blick die Straße hinauf und hinab schweifen, fast alle Fenster waren noch dunkel. Vielleicht war diese eigenartige Symbiose der Grund dafür, dass die Rostocker so gut wie immer zukunftsorientiert waren? Die Stadt hatte jahrhundertelang keine Konkurrentin gehabt. Es gab in ganz Mecklenburg keine andere große Stadt. Sie hatte in diesem uralten, deutschen Herzogtum unbehelligt existieren können. Lübeck war an der einen Seite weit weg, und Stettin an der anderen. Und Berlin sowieso, aber auch Kopenhagen. Rostock war der Mittelpunkt dieses Vierecks gewesen, meinte Pawel, und von Mittelpunkten wusste er, dass sie durch die vielen sie kreuzenden Linien dick und pompös wurden. Er grinste, als er merkte, dass er Rostock in Gedanken auf einen Sockel zu stellen begann. War das nicht eines der Heimatgefühle, die man haben konnte? War er noch Nordrusse oder wurde er schon Mecklenburger?

X.
     
    Während er auf dem Weg nach Hause war, warf Pawel immer wieder einen kurzen Blick auf den asiatischen Blumenstrauß. Morgenröte verzeiht dem Nachtsturm

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