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Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi

Titel: Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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Fenster liegen. Aus Indien, glaub ich«, überlegte Elke laut.
    »Tibet.« Moni sah ihre Nachbarin an. »Normalerweise kommt so was von dort. Aber ich hab den in Sikkim gekauft, einer autonomen Region in Indien an der Grenze zum Dach der Welt. Vermutlich brauchte die Bergbauernfamilie, die mir das Ding überließ, das Geld. In Sikkim können Tibeter noch ganz nach ihrer Kultur leben, ohne von den Chinesen gestört, besser: zerstört zu werden. Trotzdem haben die nicht viel, das Leben ist hart dort oben.«
    »Ja die Chinesen ...«
    »Ja, die Chinesen. Was man so über Tibet hört, sind auf dem Land wenige zu sehn. Das sind Städter. Die brauchen einen Friseur und eine Videothek, lieben ihre laute Katzenmusik und kitschig-bunte Reklame. In den Dörfern soll es ruhiger sein.« Moni hatte ihren Kopf in die Hände gestützt und sah verträumt ins Nichts.
    »Na, mit dem Himalaja ist das hier wohl wirklich nicht vergleichbar«, schmunzelte Elke und blickte die Holzwand entlang bis zur Terrasse, die sich wegen der abendlichen Kühle langsam leerte. »Da ist doch alles höher.«
    »Und leerer. Vom Wind und der Stille will ich gar nicht reden.« Monis Blick war glasig, Erinnerungen schienen sie ganz einzunehmen.
    »Was hast du denn da gemacht? Warst du auf den Gipfeln wie der Messner? Wie alt bist du da gewesen?« Elke fand es spannend, jemanden so nah zu wissen, der von gefährlichen Expeditionen berichten konnte. Sie rutschte etwas näher an die Sikkim-Reisende heran.
    »Achtzehn war ich.« Moni blickte immer noch mit ziellosen Augen über das Tal und stand langsam auf. Sie seufzte und strich erneut den Ohrring entlang. »Ich wollte mir das Dach der Welt, die Kultur da ansehen. Begreifen, wie die leben. Ohne chinesisches Visum kam ich nach Tibet nicht rein, da wurde es eben Sikkim. Ich hab da bei Leuten gewohnt, ein paar Wochen lang. Aber die Berggipfel sind heilig. Göttersitze. Da hatte ich nix verloren.« Und damit griff sie ihr Geschirr und wandte sich zum Gehen.
    Elke sah zu ihr auf. »Warum rennt eine Achtzehnjährige wie wild da hoch, in die kalte Einöde, die dünne Luft, diese ganze Ge fahr? Andere zieht es zu sonnigen Stränden.« Sie blickte konzentriert in das verschlossene Gesicht Monis, die zu Boden sah, die Schultern zuckte und einen Augenblick nachdachte.
    »Ich hatte erfahren, dass ich das Kind anderer Leute war. Adoptiert. Plötzlich kamen mir Vater und Mutter fremd vor, ich fühlte mich völlig aus meiner Welt gestoßen.« Ihr Blick war nach innen gekehrt. »Ich wollte weg, ganz weit weg. Meine Nenn-Eltern sollten mich vermissen und nicht finden.« Erneut zuckte sie die Schultern. »Aber ich kam zurück. Und seitdem seh ich vieles an ders. Mein Horizont hat sich, wenn du so willst, verschoben.« Moni machte einen Schritt. »Ich muss wieder in die Küche. Komisch, diese Geschichte hab ich noch keinem Fremden erzählt. Vielleicht haben wir uns begegnen müssen. Schicksal eben. Jetzt gibt’s aber einiges zum Spülen. Also, fürti.«

Krimi
    Nachdem es draußen am Koglerhaus dunkler und kälter geworden war, ging Elke notgedrungen hinein. Das trübe Licht auf ihrem Zimmer hatte nicht zum Verweilen eingeladen und so fand sie sich, wie alle Gäste, in der Stube wieder. Sie war von Bier zu Wein gewechselt und hielt in einer Hand ein Glas Tiroler Magdalener, in der anderen den Dürrenmatt-Krimi. Sie sah sich nach einem lee­ ren Tisch um, weit genug weg von den juchzenden Kartenspielern und den Märchenerzählern mit ihrem Bergwanderer-Latein. Im alten Teil der Aufenthalts- und Speiseräume, nahe dem Kachel ofen, winkte Hubert sie heran. Der war wieder mit den Männern, mit denen er auch auf der Terrasse gesessen hatte, über eine Karte gebeugt.
    »Na, immer noch auf Tourenbesprechung«, spottete Elke und nickte ihnen zu.
    »Ja, kann’s denn Schöneres geben, als Touren zu planen mit all den Erfahrungen, die man hat?« Hubert sah zu ihr auf und bot ihr einen Platz an.
    »Ne, lass mal, ich such mir einen ruhigen Fleck zum Lesen.« Damit hielt sie den Krimi hoch und verließ den dunkeln Stubenteil. Im neuen Anbau war das Licht besser, das neuere Holz an Wand und Boden reflektierte es hellgelb. Dann traf ihr Blick die Augen von Manfred, er saß rechts in der Ecke, in einer größeren Runde von Kartenspielern an einem langen Tisch. Stark gerötete Wangen und angeschwitztes Haar zeigten an, dass er schon länger da saß. Missbilligend sah Elke die vielen leeren Schnapsgläser und drehte sich weg. Am anderen Raumende

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