Frettnapf: Roman
dass nun alles gut ist. Dass ich meine Perspektive gefunden habe. Dass wir uns keine Sorgen machen müssen, nie wieder. Dass ich einen Job habe und unsere kleine Familie versorgen kann. Bloß ist dem leider nicht so– ich bin bis jetzt keinen Schritt weiter.
» Du siehst prächtig aus«, begrüße ich sie, Jessi lächelt und antwortet: » Trächtig trifft es eher. Willkommen im Club der fetten Muttertiere.«
» Ich find’s schön.«
» Und ich pack’s nicht mehr. Ich will mal wieder auf dem Bauch schlafen. Oder wenigstens mal eine Nacht nicht aufwachen, weil ich keine Position finde, in der es wenigstens halbwegs gemütlich ist.«
» Auf meiner Schulter schläfst du immer wie ein Baby.«
» Aber die ist gerade nicht da.«
» Wenn du sie so vermisst, kannst du sie ja fragen, ob sie heute Abend mit zu dir kommt.«
Dumm, dass ich das gesagt habe, denn sofort dreht sich Jessi von mir weg und geht zum Eingang der Hebammenpraxis.
» Hoffentlich kommt uns keine Schwangere entgegen«, witzle ich ins Leere. Keine Reaktion. Also stapfe ich hinter meiner Verlobten her, die mir noch nie so fern war. Vielleicht bringen die gemeinsamen Atemübungen in den folgenden Stunden uns ja wieder ein wenig näher. Ich habe mich auf jeden Fall vorbereitet und kann Jessi auf dem Weg in die erste Etage des Hauses erzählen, dass Robert Koch ein Mediziner und der Begründer der Bakteriologie war, was sie absolut nicht interessiert. Sie ist nur mit mir hier, weil die werdenden Väter eben einen Tag mit beim Kurs sein müssen, alleine aufzukreuzen war ihr wegen der damit verbundenen Fragen zu doof.
» Dass die ihre verdammte Praxis nicht im Erdgeschoss haben, ist eigentlich Grund genug, nicht herzukommen«, schließt Jessi ihr kurzes Auskotzen. » Am Ende läuft’s dann eh auf einen Kaiserschnitt raus, und der ganze Scheiß war umsonst.«
» Jetzt schauen wir uns das halt mal an«, versuche ich sie wieder ein wenig zu beruhigen, werde aber mit einem verächtlichen Blick abgestraft. Das müssen die Hormone sein. Oder dass ich nicht bedacht habe, dass Jessi seit Wochen jeden Dienstagnachmittag hier verbringt.
» Okay, also willkommen, liebe Papis«, beginnt die schwangerste Frau von allen. Sie wirkt wie ein trächtiger Wal. Obwohl ich gar nicht sicher bin, ob Walweibchen tatsächlich dicker werden. Sie stellt sich als Sybille vor und muss natürlich betonen, dass sie kommende Woche ihren Geburtstermin hat, aber ihre Lieblingsgruppe hier nicht an eine Kollegin abgeben wollte. Die Gruppe giggelt, wir Männer freuen uns mit ihnen, und dann geht es auch schon ans Eingemachte– die Papis sollen sich vorstellen.
» Hi, ich bin Lutz«, beginnt Lutz, dem ich irgendwann noch mitteilen werde, wie dämlich sein Name ist, » und ich freue mich, heute hier zu sein. Irina hat mir schon so viel erzählt, und euch alle jetzt mal richtig live zu erleben, finde ich super.«
Der nächste werdende Vater hat auch einen Namen, den ich jedoch als nicht erinnerungswürdig einordne, da der Typ gleich erzählt, dass er mit seinem Schatz eine Hausgeburt plant. Da er eine Thermohose trägt, heißt er für mich auch fortan so, seine Frau entsprechend Thermoflasche.
Vater 3 heißt Karl und ist eigentlich ganz sympathisch. Immerhin erklärt er: » Ich bin hier, weil es hieß, dass ich einen Tag mitkommen muss.«
Damit spricht er mir aus der Seele, obgleich ich sofort Jessis Hand ergreife, um ihr zu signalisieren, dass ich besser bin. Dass ich heute neben ihr sitze, weil ich Vater werde und meiner Frau während der Geburt beistehen möchte. Jessi lässt diese zaghafte, zärtliche Berührung zu, ich kann dem Drang widerstehen, sofort zu ihr zu blicken, und genieße den Moment. Dadurch verpenne ich allerdings meinen Einsatz.
» Und wie heißt der nächste Papi?«, weckt mich der Wal aus meinem Sekundenschlaf.
» Ach ja. Jens. Fischer. Und ich bin hier, weil Maren schwanger ist.«
Bäng! Das saß. Ich habe keine Ahnung, wie ich auf Maren gekommen bin, spüre aber, wie Jessi ihre Hand aus meiner löst. Alle Frauen starren mich an, die Männer, denen Jessi ja noch nicht namentlich vorgestellt wurde, können nur erahnen, dass ich gerade in einen Napf gelatscht bin, dessen Ausmaß für die Summe aller anwesenden Füße reichen würde.
» Jessi«, korrigiere ich mich. » Jessi ist schwanger, und ich werde Papa. Und da will ich natürlich alles tun, um sie dabei zu unterstützen. Also, mental jetzt, nicht wirtschaftlich. Das auch, aber hier bin ich jetzt, um da zu
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