Frettnapf: Roman
sein, wenn es so weit ist.«
Lutz schüttelt ungläubig seinen Kopf, die anderen Papis verziehen die Gesichter, teils aus Fremdscham, teils aus Mitgefühl. Alle haben begriffen, dass ich derjenige bin, den sie in Zukunft als Beispiel heranziehen werden, wenn sie was Falsches gesagt oder getan haben. Im Vergleich zu mir wird alles harmlos erscheinen, ich bin ihre Carte blanche für die kommenden Wochen.
Das Einzige, was mir noch helfen kann, ist eine lupenreine Performance für den Rest des Tages. Wenn ich von nun an nur noch das Richtige sage, jede der anstehenden Übungen perfekt durchführe und Jessi wiederholt zum Lachen bringe, könnte mein Mega-Fauxpas entschuldbar werden. Natürlich bin ich jetzt total verspannt und es fällt mir sehr schwer, die restliche Vorstellungsrunde wahrzunehmen.
» Mein Name ist Axel«, sagt derweil schon Papi Nummer vier, » und mir geht’s eigentlich wie den anderen hier. Ich freu mich auf den Tag und weiß sogar, wie meine Frau heißt.«
Der kleine Wichser muss richtig Dreck am Stecken haben, dass er jetzt schon den Jens-Joker zieht. Wahrscheinlich gab es heute schon einen Riesenkrach, weil er den Termin vergessen hatte oder sich extrem auf das Abfahrtsrennen der Männer in Irgendwo gefreut hat. Er ist mit Abstand der Jüngste von uns, ich schätze ihn auf maximal einundzwanzig, und bin mir nicht sicher, ob ich ihn bemitleiden oder beneiden soll. Wahrscheinlich weder noch. Dafür hasse ich ihn.
Nach den letzten beiden Papis, die mir noch gleichgültiger sind als Thermohose, beginnt der Wal über die Geburt zu sprechen. Uns wird mitgeteilt, dass wir bei einem Kaiserschnitt die Neugeborenen nach dem Waschen und Wiegen in die Hand gedrückt bekommen und uns das garantiert emotional überfordern wird. Dass die Mamis durch das PDA leicht sediert sein werden und erst mal Schlaf brauchen. Und dass es vollkommen egal ist, wie und wo man sein Kind zur Welt bringt, Hauptsache, es geht danach allen gut.
Es folgen zig Fragen zum Thema Hausgeburt, und ich muss mich zurückhalten, diesen Teil nicht mit der einzig angemessenen Frage abzubrechen, nämlich der, wie man die erste kritische Situation im Leben seines Kindes nicht in einer darauf spezialisierten Klinik, umgeben von Experten verbringen kann. Mich würde interessieren, ob die Hausgeburtfreunde auch ihre Winterreifen selbst wechseln, sich selbst gegenseitig die Haare schneiden und jeden Freitag beim Spieleabend mit den Freunden russisches Roulette spielen, oder ob sie in all diesen Fällen Bedenken hätten, dass womöglich was schiefläuft.
Ich beherrsche mich, flüstere meine Fragen aber Jessi zu, die meine Ansichten diesbezüglich teilt. Dann geht es endlich weiter zum Ablauf einer Geburt in der Klinik. Nichts von dem, was der Wal berichtet, ist sonderlich überraschend, doch ich mime den Interessierten, um ein paar Punkte zu machen. Ich hake nach, frage, welche Form der Anästhesie denn am besten sei und wann man von sich aus einen Kaiserschnitt vorschlagen sollte, und erkundige mich, wie oft sich Männer während der Geburt kurz verabschieden, weil sie überfordert sind. Top Fragen, wie der dicke Meeressäuger einräumt.
Danach wird gekniet, geschnauft und massiert, gebeugt, gestreckt, informiert. Nach drei Stunden sind die meisten so erschöpft wie nach einer Geburt, scherzt die Walartige und entlässt uns in die Kälte zum Mittagessen. Jessi und ich versuchen uns abzuseilen und alleine in den Liebighof zu schleichen, wo allerdings schon Lutz, Irina und das Thermopärchen sitzen. Der Anstand nötigt uns, uns ihrer Runde anzuschließen.
Draußen konnte ich Jessi wenigstens kurz erklären, dass mein Blackout damit zu tun hatte, dass mir Ralf vor ein paar Tagen ein Foto von seinem und Marens Sohn geschickt hat und ich mich daran genau in dem Moment erinnert habe, als mich die dicke Kursleiterin angesprochen hat. Ich bin zwar unsicher, ob ich in meiner Erklärung alle Zeiten richtig getroffen habe, Jessi schien aber zufriedengestellt und versöhnlich gestimmt. Immerhin war ich der einzige anwesende Mann, der etwas mehr als » da kommt dann ein Baby bei der Frau unten raus« zum Thema Geburt wusste. Und der einzige, mit dem sie über die anderen Kursteilnehmer ablästern konnte.
Thermohoses Thermohose war Jessi auch sofort aufgefallen, und ich musste sie während ihres Lachanfalls stützen, den meine Imitation des wärmeliebenden Männchens bei der Rückenmassage seines Weibchens im Vierfüßlerstand bei ihr auslöste. Wir
Weitere Kostenlose Bücher