Frettnapf: Roman
Schluck Spezi zu trinken, und dann Bier in seinen Rachen geschüttet hat, kann sich ungefähr ausmalen, wie schockierend unangenehm es sich anfühlt, unvorbereitet eine Hand ohne Daumen zu schütteln. Wenigstens ist so aber sein umständliches Bewegen der Maus erklärt.
Hebammenmesse
»Schirmherrin des XIII . Hebammenkongressses ist Frau Manuela Schwesig, Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales des Landes Mecklenburg-Vorpommern.«
Party Night Fever. Einen behämmerteren Titel für die Sendung am Freitagabend hätte sicherlich nur eine Fokusgruppe aus zwölf Schwachsinnigen beschließen können. Die abrufbare Playlist enthält ausschließlich Titel, die mir nichts sagen, von Künstlern, die ich nicht kenne. Mache ich irgendwas falsch, weil ich mein Leben ohne » Promises« im Remix von Skrillex und Nero führe? Wäre ich glücklicher, wenn ich mehr Zedd hören würde? Und wer zum Teufel ist Nicky Romero?
Ich bin den ganzen Samstag damit beschäftigt, mich durch die aktuellen Dancecharts zu hören. Erschreckend ist vor allem, dass die meisten Songs auch in den Neunzigern hätten produziert werden können. Musikkenner würden mich sicherlich für diese Vermutung steinigen, ich selbst finde den Bumm-Bumm-Brei eintönig und ermüdend. Es muss mir also gelingen, vor dem Party Night Fever am Ende der Woche eine sensationelle Radioshow hinzulegen.
Wie gewohnt habe ich mir ein Notizbüchlein gekauft, um darin Ideen für Moderationen und Themen zu sammeln, es beschriftet, mir ein System überlegt, nach dem ich meine Gedanken darin sortieren möchte. Auf die linke Seite kommen jeweils nur Themen, Unterthemen und Stichworte, auf die rechte dazu passende Sätze, Gedanken und Moderationsansätze. Ein dämliches System, wie sich nach kurzer Zeit herausstellt, da schon nach den ersten drei Ideen links die entsprechende rechte Seite voll ist. Dazu ist nicht mehr nachzuvollziehen, was womit korrespondieren sollte.
Auch ein kurzes Gespräch mit Malea in der Küche hilft mir nicht weiter. Da sie perfekt in die Zielgruppe des Senders passt, hatte ich mir erwartet, von ihr mit Themen nur so zugeschissen zu werden. Tatsache ist leider, dass sie sich für » keine Ahnung« interessiert und es cool fände, wenn man im Radio mehr über » weiß nicht« sprechen würde.
» Vielleicht Abtreibung, Pille danach und so«, schlägt sie noch vor. » Darüber unterhalten sich die Tussen auf der Toilette im P1 halt immer. Oder Ficken.«
» Danke, Malea. Das sind top Ideen.«
» Echt? Weil, ich will eigentlich auch was mit Radio machen, also mehr so Fernsehen, aber mir hat mal einer gesagt, dass halt viele erst beim Radio anfangen.«
» Das stimmt. Wenn du willst, kann ich ja fragen, ob die da gerade Volontäre suchen.«
» Wen?«
» Auszubildende.«
» Nee, ich will da keine Lehre machen oder so. Ich fänd’s halt cool, wenn ich da einfach so ablabern könnte. Oder abspasten. Ich kann auch voll lustig sein.«
Eine würdigere Tochter hätte sich Hondo nicht mal selbst zeugen können. Meine Unterhaltung mit ihr hatte trotzdem etwas Gutes, da sie mir am Ende noch verriet, welche Zeitschriften sie so liest. Kurz darauf stehe ich in einem kleinen Laden mit der aktuellen Joy, Glamour und InStyle in der Hand, dazu die aktuelle Neon, um vor der Verkäuferin wenigstens nicht ganz mein Gesicht zu verlieren. Glücklicherweise ist die ohnehin knapp sechzig, wird mir in meinem Leben sicher nicht mehr begegnen und würde sich selbst dann bestimmt nicht daran erinnern, dass ich einmal in ihrem Shop einen Stapel Schrottmagazine gekauft habe. Das wird eher Lutz, der überraschend den Zeitungsladen betritt und mich überschwänglich begrüßt.
» Hey, Jens! Was machst du denn hier?«
» Lutz?«
» Bingo.«
Was für ein Hirbel.
» Ich kauf Zeitschriften.«
» Für Jessi?«
» Nein, für die Arbeit.«
» Was machst du denn?«
» Du, ich hab’s leider total eilig.«
» Schade. Gut, dann sehen wir uns morgen! Tschüssi.«
Mit einem leisen » Ciao« packe ich meine Heftchen und gehe. Auf der Straße atme ich tief durch und danke Gott und seinesgleichen für diese Begegnung. Morgen ist der Partnertag des Geburtsvorbereitungskurses, und ich hätte es beinahe vergessen.
Am Sonntagmorgen warte ich vor der Hebammenpraxis in der Thomas-Koch-Straße auf Jessi, die überrascht scheint, dass ich da bin. Sie sieht fantastisch aus, der Bauch ist noch mal gewachsen, ich würde am liebsten sofort auf die Knie fallen, losweinen und ihr erklären,
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