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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murmel Clausen
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hatten uns schon im Kurs zurückhalten müssen, da Thermohoses Massagetechnik schwer an eine Luftzither-Einlage erinnerte, das alpenländische Gegenstück zur Luftgitarre.
    Das zweite Opfer unserer Häme unterwegs war Irina, die sämtliche Anwesende wieder mit anerkennenswert dämlichen Fragen und Behauptungen irritieren konnte. Vorrangig ging es der minderbehirnten Frau von Lutz immer wieder um das Thema Betäubung. Sie hat nämlich von Fällen gehört, in denen die PDA nicht gewirkt hat und den Gebärenden bei vollem Bewusstsein und Schmerzempfinden der Bauch aufgeschnitten wurde. Oder von denen, die durch eine falsch gesetzte Kanüle querschnittsgelähmt wurden. Traumatische, schreckliche Schicksale, die Jessi eigentlich so weit wie möglich verdrängen möchte, da ihrer Meinung nach bei einer Geburt kein Hilfsmittel ausgeschlossen werden kann oder sollte. Und da Irina zu jedwedem Thema ein paar Horrorgeschichten parat hat (Sturzgeburt auf der Damentoilette! Fünfunddreißig Stunden Wehen!), reicht es meiner Freundin langsam. Entsprechend froh sind wir, genau diese vier nun auch noch beim Mittagessen um uns zu haben.
    » Wer ist eigentlich Maren?«, fragt Lutz, der als König sicher den Beinamen » Der Sensible« getragen hätte.
    » Eine gemeinsame Freundin«, antwortet Jessi kühl.
    » Ist gerade Mutter geworden«, ergänze ich.
    » Wie war die Geburt?«, will Irina natürlich wissen.
    » Schrecklich«, kommt es unisono von uns, und Jessi setzt nach: » Hat allergisch auf die PDA reagiert, ist dann komplett zusammengesackt, Not-Kaiserschnitt, das volle Programm. Sie heult noch immer los, wenn man sie auf die Geburt anspricht.«
    Und obwohl das mit Abstand das Mieseste ist, was ich je über Jessis Lippen habe kommen hören, verkneife ich mir ein Lachen. Immerhin gibt es Frauen, die genau das durchlebt haben. Irina bestätigt das auch gleich.
    » Das passiert öfter, als man mitbekommt. Ich hab ja gelesen–«
    » Behalt’s einfach für dich«, fährt Jessi Irina an. » Es reicht, dass eine gute Freundin das erlebt hat.«
    » Ich mein ja nur«, mault Irina, ist aber schlau genug, das Thema zu wechseln. » Was machst du eigentlich beruflich, Jens? Irgendwas mit Zeitschriften?«
    Dass sie damit nicht nur meinen wunden Punkt auf den Tisch packt, sondern auch noch riskiert, dass Jessi von meiner zufälligen Lutz-Begegnung erfährt, die sie garantiert erahnen lassen würde, wie ich tatsächlich an den Kurs heute erinnert wurde, kann die Arme nicht wissen. Ich reiße mich zusammen und antworte brav und wie aus der Pistole geschossen, dass sie mit der Vermutung falsch liegt und ich auf Messen herumkaspere. Auch bei den anschließenden immer gleichen Folgefragen (Kann man denn davon leben? etc.) verhalte ich mich sehr höflich. Hauptsache, meine Verlobte wird von weiteren RTL -Storys verschont, und ich fliege nicht auf.
    Dafür erfahren wir mehr über Thermohose und seine heiße Freundin, als uns lieb ist. Er heißt Tim – mein Jessi zugehauchtes » Tim Thermo« führt bei ihr beinahe zum Einsetzen der Wehen – und ist gelernter Detailhandelsassistent. Wir brauchen eine Weile, um zu begreifen, dass damit einfach der Beruf des Verkäufers umschrieben wird. Tim hat diverse Hobbys, unter anderem seine zwei Dobermänner, mit denen er den Hundesport Agility betreibt. Fotos werden herumgereicht, Irina steuert ein paar Geschichten bei, die um Hunde und Kleinkinder kreisen und in denen der Hund gewinnt. Danach wird eine Weile geschwiegen.
    Der zweite Teil des Seminars ist, Gott sei Dank, kürzer angelegt. Unser Leitwal macht uns noch mit einigen Gebärmethoden und praktischen Geräten wie Gebärstühlen und Geburtshockern vertraut. Danach weist sie die Papis ein, wie sie den Mamis auf dem jeweiligen Gerät assistieren können. Jessi und ich machen alles brav mit, lachen und verstehen uns wie eh und je. Von einer Krise ist nichts mehr zu spüren, und als wir endlich kurz vor fünf aus der Hebammenpraxis entlassen werden, halte ich es für angebracht, sie über die neusten Entwicklungen zu informieren. Irinas Angebot, noch mit allen eine Schorle trinken zu gehen, haben wir elegant ausgeschlagen.
    Stattdessen sitzen wir zu zweit in der Roosevelt Bar, in der ich das letzte Mal mit Hondo und Sven nach unserem Einbruch in die Praxis von Dr. Parisius, meinem Ex-Samenarzt, gewesen bin. Da Jessi die Geschichte nicht kennt, erzähle ich ihr von Svens Fehlbestellung– er hatte damals statt eines Campari Soda versehentlich einen Bacardi

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