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Freude am Durchblick

Freude am Durchblick

Titel: Freude am Durchblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Buechler , Klaus Juergen Becker
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genommen.
    Es gehört zur Struktur des Weitsichtigen (ohne Korrektur), im Spannungszustand Klarheit zu behalten. Mit einer Vollkorrektur kommt er jedoch nicht mehr in seine natürliche Spannung, die er zum Leben braucht. Dadurch geht für ihn der Reiz des Lebens verloren und er verliert sich möglicherweise in Visionen und Tagträumen. Dies gilt für Kinder wie auch für Erwachsene. Leben heißt, in einem Energiefeld von Spannungen und Reizen sich mit seinem eigenen Spannungspotenzial einzubringen und zu lernen, mit seinem Energiepotenzial gut umzugehen.
Daher ist es oftmals sinnvoll, einen Weitsichtigen nicht voll auszukorrigieren, sondern ihm seiner Natur entsprechend ein gewisses Spannungsfeld zu erhalten.
    Andererseits gibt es Lebenssituationen, in denen ein Weitsichtiger eine volle Korrektur braucht. Manchmal ist zum Beispiel die Spannung im Außen so stark, dass der Klient in Gefahr ist, seine innere Mitte zu verlieren. Dies ist oft der Fall beim Verlust eines geliebten Menschen, einem drastischen Wechsel der Lebensumstände oder bei einem Schicksalsschlag. Hier kann eine Vollkorrektur notwendig werden. Die Vollkorrektur wirkt in solchen Fällen wie ein beruhigendes Medikament, das für einen bestimmten Zeitraum gegeben wird. Ziel der Vollkorrektur ist es hier, den Klienten in seiner schwierigen Lebenssituation zu entspannen. Hat sich sein Leben wieder normalisiert, ist es wichtig, seine Brille wieder zu reduzieren, damit er wieder in seinem gewohnten Spannungszustand agieren kann.
    Die Therapiebrille beim Astigmatismus
    Als ich noch mein Optikgeschäft hatte, kam der 45-jährige Patrick zu mir, Dozent einer Fachhochschule. Seine Ehefrau hatte ihn mir schon als zwanghaft, kontrollsüchtig, einengend und menschlich unerträglich angekündigt. Patrick wirkte überkorrekt und extrem strukturiert. Er klagte, dass er sowohl mit wie auch ohne Brille starken Stress erlebte. Wenn er seine Brille abnahm, war seine Sehleistung so schlecht, dass er sich unwohl fühlte und das Sehen für ihn so nicht akzeptabel war. Ihm war nicht bewusst, dass sich dieser Stress bereits zu seinem Normalzustand entwickelt hatte.
    Patrick hatte eine Kurzsichtigkeit von – 1,5 Dioptrien und einen Astigmatismus von – 2,5 Dioptrien in seiner Brille. Die Sehprüfung ergab, dass Patrick mit dieser Brille eine Sehleistung von mehr als 100 % erreichte. Bei der Messung der Hornhautwerte stellte sich heraus, dass der Astigmatismus nur bei  – 1,5 Dioptrien lag. Offenbar hatte Patrick durch den Stress seinen Astigmatismus selbst auf – 2,5 Dioptrien erhöht. Ich setzte Patrick eine Messbrille mit genau den Werten auf, die sich aus der Hornhautmessung ergeben hatten, und es ergab sich ein Gespräch, in dem Patrick aus seinem Leben erzählte.
    Patrick berichtete, dass er sich von vielen Seiten her angegriffen und unverstanden fühlte. Zugleich war er gefangen in der Idee, es allen Menschen recht machen zu wollen. Soweit es mir möglich war, entwickelte ich in diesem Gespräch
Verständnis und Mitgefühl für Patricks Dilemma, sodass er ein gewisses Grundvertrauen entwickeln konnte.
    Seine Sehleistung mit der Messbrille lag bei 80 %. Ich fertigte für Patrick eine Brille mit genau diesen Werten an. Patrick kam drei Wochen später in mein Geschäft, um die Brille abzuholen. Zu unser beider Überraschung hatte sich die Sehleistung mit der neuen Brille schon auf 100 % erhöht. Patrick wirkte gelöst, entspannte sich und brach in Tränen aus. Ich hatte den Eindruck, dass ein schwerer Zwang von ihm gefallen sei. Auf mich wirkte er wie ein Schmetterling, der sich gerade aus seinem Kokon befreit hatte.
    Nach weiteren drei Monaten kam Patrick erneut in die Praxis. Die Augenprüfung ergab nun, dass die Brille noch einmal reduziert werden konnte. Patrick berichtete, wie sich sein Leben verändert hatte: Mittlerweile hatte er neue soziale Kontakte geknüpft, die Beziehung mit seiner Frau und seinen Kindern hatte sich deutlich verbessert, und er fühlte sich viel besser angenommen und verstanden von seiner Familie, als das noch bei seinem ersten Besuch der Fall war.
    Patrick ist ein typisches Beispiel dafür, wie eine scheinbar unterkorrigierte Brille eine Brücke sein kann. Die starke Anspannung, die sowohl mit wie auch ohne Brille vorhanden war, konnte mittels der Therapiebrille abgebaut werden. Sicherlich war auch die seelische Öffnung im ersten Gespräch ein wichtiger Aspekt für Patricks Entspannungsprozess.
    Der Fall Patrick zeigt, dass ein

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