Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Bemerkungen zu machen.
Ich schloss die Augen und träumte vom Veneto. Dort war es sicher wärmer, mindestens um fünf Grad. Ich würde in der Sonne liegen, schlafen, essen, trinken.
Am Nachmittag ging ich in die Redaktion und schrieb die Reportage über die Tanzpalast-Eröffnung. Ich bin eine schnelle Schreiberin, es war eine Sache von nicht einmal einer Stunde. Unser Großraumbüro war am Samstag angenehm leer. Pflichtbewusst nahm ich mir, nachdem ich den Artikel ordnungsgemäß abgespeichert und weitergeschickt hatte, eine Zeitung.
Die Regierung kündigte Reformen an, die Opposition kritisierte Sozialabbau. Ich beließ es bei den Überschriften. Die Schlagzeile der Titelgeschichte im Chronikteil lautete:
„Freuds Tote war Amerikanerin“. Gespannt las ich die Unterzeile: „Identität des Mordopfers im Freud-Museum geklärt: Jane Cooper, Studentin der Psychologie, 22 Jahre alt, aus New York.“ Ein Foto zeigte die junge Frau lachend vor dem Eingangsschild der State University of New York. Sie wirkte keinen Tag älter als achtzehn, aber vielleicht war das Foto ja nicht ganz neu.
„Gestern meldete sich der Sohn der Besitzerin der Fremdenpension A. bei der Polizei. Ihm war aufgefallen, dass einer der Pensionsgäste in den letzten Tagen nicht wiedergekommen war. Er gab an, die Medienberichterstattung über den Mord im Freud-Museum nicht verfolgt zu haben. Wenig später war klar, dass es sich beim Mordopfer um die Studentin Jane Cooper handelte. Sie war exakt vor einer Woche nach Wien gekommen um nach den Angaben ihrer schwer geschockten Eltern eine Arbeit über das Freud-Museum zu schreiben. Jane Cooper hatte in Wien keinerlei Bekannte oder Freunde. Auch insofern bleibt ihr Tod rätselhaft. Die Sicherheitsdirektion tippt auf einen Geistesgestörten, der das Milieu genutzt hat, um einen eindrucksvollen Mord zu inszenieren. Der Leiter der zuständigen Mordkommission betonte, dass in alle Richtungen ermittelt werde.
Kurz vor Redaktionsschluss stellte sich heraus, dass die Erdrosselte in der Fremdenpension im sechsten Wiener Gemeindebezirk nicht ordnungsgemäß angemeldet gewesen war. Wahrscheinlich hatte die Inhaberin der Pension deswegen keinen Kontakt mit der Polizei aufgenommen. Sie hat mit einer Verwaltungsstrafe zu rechnen. Die anderen Pensionsgäste sind dem Vernehmen nach noch gestern Nacht befragt worden.“
Ich nickte. Also tatsächlich eine Amerikanerin. Psychologiestudentin.
Ich kramte in unserer Zeitungsablage nach dem „Blatt“. Hier war die Sache weit reißerischer aufgemacht. „New Yorkerin ist Opfer des Psycho-Mörders“. Der Text allerdings war kurz und unterschied sich inhaltlich nicht von dem der anderen Zeitung. Lediglich der letzte Absatz hatte es in sich: „Treibt sich der Mörder im Psycho-Milieu herum? Wer wird sein nächstes Opfer? Stimmen werden laut, die die Aufhebung der Schweigepflicht von Psychiatern im Kriminalfällen fordern. Wie aus gewöhnlich gut informierten Polizeikreisen verlautete, könnte es gut möglich sein, dass es sich bei dem Täter um einen psychiatrischen Patienten handelt.“
Vielleicht sollte man dem Redakteur sagen, dass zwischen dem Freud-Museum und einer psychiatrischen Klinik ein kleiner Unterschied besteht. Und dass Psychoanalyse für sich betrachtet noch kein Mordmotiv ist. Ich sah auf die Namenszeile des Redakteurs. Mein alter Freund Hugo. Er machte mich endgültig zu einer Freundin von Freud, seinen Epigonen und dem ihm gewidmeten Museum. Zumindest tendenziell.
Vielleicht würde ich mir ins Veneto neben ein paar Krimis auch eine Freud-Biographie mitnehmen. Ich sollte Ulrike um einen Tipp bitten.
[ 4. ]
Ich stand vor der halbgefüllten Reisetasche und überlegte, ob es für meine beiden Leinenhosenanzüge schon warm genug sein würde. Der Stapel Bücher war schon verstaut. Neben einer Reihe von Sachbüchern über Freud und die Psychoanalyse hatte mir meine Lieblingsbuchhändlerin den Psychoanalyse-Krimi von Batya Gur empfohlen. Ich hatte den Krimi gekauft und anstandshalber noch Freuds „Traumdeutung“. Freuds Werk lag auf meinem Schreibtisch. Batya Gurs Buch in meiner Reisetasche.
Für Gismo würde Frau Schneider viel zu gut sorgen. Frau Schneider wohnte zwei Stockwerke unter mir, sie liebte Katzen und fabrizierte für ihre Enkelkinder jede Woche Unmengen an Keksen. Gismo mochte Kekse. Sie würde in einer Woche um einen halben Kilo mehr wiegen. Dabei war sie ohnehin nicht eben untergewichtig. Ich grinste fröhlich. Warum sollte ich es ihr nicht
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