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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Bitte, hilf Ulrike.“
    Schweigen am anderen Ende der Leitung. In meiner Aufregung hatte ich mir das Telefonkabel so fest um das linke Handgelenk geschlungen, dass die Finger schon taub wurden. Ich ließ die Schnur aus und betrachtete den roten Streifen auf meiner Hand. Ich wartete.
    „Ich rufe ihn an. Und wenn er mit dir reden will, ruft er dich zurück. Du bist daheim, nehme ich an?“
    „Bitte sag ihm, dass es wichtig ist. Bitte! Und mach schnell.“
    „Mira“, erwiderte Droch ernst, „lass dich in nichts hineinziehen. Es ist schön, dass du alle retten willst, aber manchmal sind die Dinge anders, als du sie gerne sehen möchtest. Das spricht nicht gegen dich, ganz und gar nicht. Nur: Lass dich nicht hineinziehen.“
    Ich hatte schon eine Antwort in die Richtung parat, dass ich genug Menschenkenntnis und außerdem alles andere als ein Krankenschwestersyndrom hatte, dass es um Gerechtigkeit gehe und … Ich schluckte sie hinunter, bedankte mich und legte auf.
    Dann entwirrte ich die lange Telefonschnur und trug den Apparat zu meinem großen schweren Tisch aus Nussholz.
    Ich starrte auf das Telefon. Jetzt musste Droch Zuckerbrot schon erreicht haben. Jetzt konnte er mich schon zurückrufen. Nun erst nahm ich wahr, dass der Fernseher noch immer lief. Ein paar Männer vor einem Würstelstand. Schon sichtlich angetrunken, philosophierten sie über Frauen und über Würstel. „A anständige Frau“, grölte der eine in die Kamera, „a anständige Frau bleibt daham. Und wartet bis der Mann kommt. Und kochen muss sie natürlich a können. Kochen is fast das Wichtigste, aber das andere auch, Sie wissen schon, was …“ Er knallte mit seiner rechten Faust in seine offene linke Hand.
    „Und so eine Frau haben Sie daheim?“, fragte eine Journalistin aus dem Off. „Na, i hab gar ka Frau, is eh besser, weil der Mann nimmt das Geld ein und sie gibt es aus.“
    „Und was arbeiten Sie?“
    „In der Arbeitslosen bin i, verstehen Sie? Aber wir werden schon wieder was finden, gell Kollegen?“
    Zustimmendes Gemurmel der anderen Männer.
    „Und war das immer schon so?“, fragte die Stimme.
    „Na, früher war es viel besser. Da war ich am Bau. Und bin auf den höchsten Gerüsten gewesen und gesoffen haben wir. Schon zum Frühstück unser Bier, das brauchst du einfach.“
    „Und wer ist dran schuld, dass das jetzt nicht mehr so ist?“
    „Die Politik is schuld, natürlich. Und diese Manager. Und auch die Tschuschen. Also ich bin ja kein Ausländerfeind, dass Sie mich richtig verstehen, aber was zu viel ist, ist zu viel.“
    „Und was sollte sich da ändern?“
    „A starker Mann gehört wieder her, was Kollegen?“ Beifälliges Gemurmel. „Net so einer wie der Hitler, nur a kleiner Hitler halt, einer der aufräumt mit der ganzen Bagage. Und den korrupten Politikern und so.“
    Jetzt kam eine Frau in einem rosafarbenen Jogginganzug ins Bild, vor dreißig Jahren mochte sie eine Vorstadt-Sexbombe gewesen sein. „Hearst, red’ net so“, sagte sie zum Wortführer und hängte sich bei ihm ein. „Er is eh a Lieber. Er red’ nur manchmal vül.“
    Ich hatte genug gesehen und drehte ab. Ein paar aufgeblasene Fernsehleute machten sich an ein paar mediengeile Typen aus der, wie sie es nannten, „Unterschicht“ heran und dann wurde die so genannte Realität eingefangen. Das Ergebnis war immer gleich: Die Männer waren betrunkene, ausländerfeindliche Machos, die nach Hitler oder einem entsprechenden Ersatzmann riefen, die Frauen waren auch betrunken und wussten nichts Besseres, als diesen Männern schönzutun. Das Ganze lief dann auch noch unter „gesellschaftskritischer Berichterstattung“. Die Gesellschaft war das nicht, selbst nicht die in den tiefsten Arbeiterbezirken Wiens. Außerdem hatte ich schon lange den Verdacht, dass die so genannte bessere Gesellschaft ihre Ansichten nur besser zu tarnen wusste. Kritik konnte ich auch keine erkennen. Eher wurde den Laiendarstellern noch zugeredet, ja in die tiefste Schublade zu greifen, vor der Kamera die Sau einmal so richtig herauszulassen.
    Zuckerbrot würde wohl nicht mehr anrufen.
    Ich konnte nichts anders tun, als auf die Nachrichtensendung um Mitternacht zu warten. Meine Reportage, die mich heute Nachmittag noch zufrieden gestimmt hatte, war inzwischen heillos veraltet. Vielleicht konnte der Schlussredakteur noch vor dem Anlaufen der Druckmaschinen die letzten Entwicklungen einfügen. Ich jedenfalls hatte keine Lust, mich in der Redaktion zu melden und das

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