Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
weiterzugeben, was ich in den Nachrichten gehört hatte. Sie wussten, wo sie mich erreichen konnten. Der Schlussredakteur war schließlich dafür da, aktuelle Agenturmeldungen auf ihre Wichtigkeit hin zu überprüfen und entsprechende Änderungen vorzunehmen. Oder sollte ich doch in die Redaktion fahren und schauen, was die Nachrichtenagenturen über die Verhaftung von Ulrike wussten? Wem hätte das genützt? Ich seufzte.
Irgendwem musste etwas angebrannt sein. Ich schnupperte. Das roch nach einem Brand. Zuerst wurde jemand erwürgt, dann wurde jemand vergiftet, dann wurde jemand Opfer eines Brandanschlags. Voll Panik sah ich mich um. Woher kam der Geruch? Ich hetzte ins Vorzimmer. Hier war er stärker. Ich riss die Eingangstüre auf. Hier draußen war er schwächer, schien mir. Die Küche. Kein Feuer. Fluchend nahm ich einen Topfhandschuh, zog den Topf von der Gasflamme und drehte sie ab. Ich hatte auf mein Nudelwasser vergessen. Jetzt war der Boden des Topfes braun-schwarz verfärbt. Ich würde ihn wegwerfen müssen. Jedenfalls kein Brandanschlag. Ich goss mir ein großes Glas Jameson Whiskey ein, trank langsam und ging dann schlafen.
In der Nacht träumte ich davon, dass ich Dr. Zimmermann von einem Brandattentat erzählen wollte, aber er aß ein riesiges Bonbon nach dem anderen. Ich wusste, dass er platzen würde. Und da war auch die Stimme der Journalistin, die immer wieder fragte: „Und war das schon immer so? Soll ein starker Mann kommen?“
Punkt fünf Uhr wachte ich schweißgebadet auf und horchte auf mein Herz. Es schlug hörbar, aber nicht so schnell wie sonst um diese Zeit. Keine Panik. Oder kam sie erst? Ich würde zu dem Internisten gehen, den mir Ulrikes Freund empfohlen hatte. Ich sollte nicht mehr an den toten Psychiater denken. Eine Stunde lang wälzte ich mich im Bett, dann erst schlief ich wieder ein. Diesmal saß Ulrike mit einem großen Messer auf Freuds Couch und weinte. Und ich hatte keine Taschentücher mehr.
Langsam drang der Klingelton durch die verschiedenen Ebenen meines Bewusstseins. Ich blinzelte. Zehn Minuten vor sieben. Ich schloss die Augen wieder. Das Dauergeklingel ging weiter. Fluchend tappte ich aus dem Bett, stolperte fast über Gismo und griff nach der Gegensprechanlage. „Ja?“
„Ich bin’s, Ulrike, bitte lass mich rein. Schnell!“
Wortlos drückte ich auf den Türöffner. Das war die Fortsetzung irgendeines Traumes. Ich war gar nicht wach. In der Realität saß Ulrike in Untersuchungshaft und ich schlief. Es läutete, ich öffnete und da stand Ulrike.
„Du bist nicht in Haft?“
„Nein, das hat bloß dieses idiotische ‚Blatt‘ geschrieben. Jetzt verfolgen mich die Reporter.“
„Es war auch in den Fernsehnachrichten.“
„Die Schwachköpfe haben es vom ‚Blatt‘ übernommen, nachdem es irgendjemand in der Sicherheitsdirektion bestätigt hatte. Es gibt schon eine Richtigstellung, aber das ist den Zeitungsschmierern egal.“
Ich holte meinen Morgenmantel, bemerkte kurz, dass er am rechten lila Revers Zahnpastaspuren hatte, zog ihn trotzdem an und führte Ulrike in die Küche. „Kaffee?“
Meine Schulfreundin nickte.
„Also, was stimmt jetzt bei der ganzen Sache und was nicht?“
Ulrike sah aus, als würde sie jeden Moment umkippen. Keine Rede mehr von der gepflegten Frau mit den exakt geschnittenen halblangen blonden Haaren. Wilde Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Ich verstand immer besser, wie Fotos zustande kamen, auf denen ganz gewöhnliche Menschen plötzlich in den Augen aller zu Schwerverbrechern werden. „Zuerst einmal atmest du durch und sagst nichts. Dann trinkst du deinen Kaffee. Und dann reden wir.“
Sie nickte.
Ich ging ins Badezimmer und wusch mir das Gesicht. Ich sah auch nicht viel besser aus als Ulrike.
Ich ließ zwei extra starke Espressi herunter und trank sofort. Prompt verbrannte ich mir die Zunge, aber jetzt war ich wenigstens wirklich wach. Ich füllte die Tassen gleich noch einmal.
„Also, ich war gestern in der Sicherheitsdirektion vorgeladen. Sie haben mich ausgefragt und ich habe ihnen das erzählt, was du ohnehin schon weißt. Sie haben mir die Hölle heiß gemacht, weil ich nichts vom Kontakt zwischen Peter und dieser Amerikanerin erzählt habe. Aber das war uns ja klar. Alles hat schrecklich lange gedauert, ich musste ihnen meine ganzen Tagesabläufe schildern und immer wieder haben sie unterbrochen und sind hinausgegangen. Es war schon späterer Abend, als ein Neuer hereingekommen ist, er hat mich angestarrt
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