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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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übernehmen. Du weißt, mein Englisch ist ganz passabel und mein Französisch gut. Ich bin bereit, alles zu tun.
    In der Hoffnung, daß zumindest Du Dein ‚gelobtes Land‘ schon gefunden hast,
    noch einmal herzlichen Glückwunsch,
    Deine Freundin Franziska
    Wien, am 2. März 1938“
    Ich saß neben den beiden Seidenkleidern auf Janes Bett, die ersten drei Briefe in der Hand. Janes Großmutter war also knapp vor der Machtergreifung der Nazis nach Amerika gefahren. Ob ihre Freundin Franziska die Flucht geschafft hatte? Ob die Freundinnen den Krieg überlebt hatten? Ich nahm noch einmal die Fotografie der drei jungen Mädchen und sah sie lange an. Gut möglich, dass eine der Schreiberinnen mit auf dem Bild war. Wie jung und optimistisch sie aussahen.
    Der nächste Brief trug dieselbe New Yorker Adresse wie die anderen drei. Auch er war an „Johanna Rosner bei Theodore Marvin“ gerichtet. Ich faltete die beiden Blätter auseinander.
    „Liebes Kind,
    vielen Dank für Deinen ausführlichen Brief. Ich hoffe, unser Glückwunschtelegramm ist zur rechten Zeit angekommen. Es freut uns, daß es Dir gutgeht. Wie Du weißt, können wir Deine abenteuerliche Reise nicht billigen und noch weniger Dein, wie Du es nennst, ‚Zusammenleben‘ mit einem jungen Mann. Aber unsere Liebe ist bei Dir und auch unsere Sorge.
    Es ist sehr schön von Dir, liebes Kind, daß Du uns nach Amerika holen willst. Tatsächlich ist es seit dem Einmarsch der deutschen Truppen noch immer sehr unruhig bei uns. Vor allem in den inneren Bezirken soll der Pöbel schrecklich gewütet haben. Aber die Berichte amerikanischer Zeitungen, von denen Du im Brief erzähltest, sind übertrieben. Du darfst nicht jede Greuelpropaganda glauben. Wir werden es nicht leicht haben, aber wir sind nicht an Leib und Leben bedroht. Da kannst Du ganz beruhigt sein. Du weißt, daß wir den jüdischen Glauben nie praktiziert haben. Dein Vater war Offizier im Ersten Weltkrieg. Er hat Seite an Seite mit den Deutschen gekämpft und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet. Es gibt auch Trauriges zu berichten. Dein Onkel Hans wurde in ein Gefängnis gebracht. Wir wissen noch nicht, wohin. Tante Martha ist verzweifelt.
    Vater hat seine Stelle in der Kanzlei aufgegeben. Sein Kompagnon hat dazu geraten, ihm vorerst alle Vollmachten auszuschreiben und ihm seine Klienten zu überlassen. Das sei in der aufgeheizten Stimmung besser, außerdem könne es für ihn gefährlich sein, da sich der Pöbel noch immer in der Innenstadt herumtreibe.
    Einen Aufmarsch der Nationalsozialisten gab es vor einigen Tagen auch ganz nahe bei uns. Sie haben Schaufenster eingeschlagen und ihre Parolen gegrölt.
    Vater sagt, diese Leute können bloß marschieren und dreinschlagen, aber das reicht nicht aus, um ein Land zu verwalten. Vielleicht wird es ja doch noch eine Lösung geben.
    Wir könnten auch unser Haus nicht im Stich lassen. Bei uns selbst ist alles soweit ruhig, und unsere Mieter hoffen mit uns, daß der schlimmste Spuk bald ein Ende hat. Das Haus ist ein wahrer Segen. Denn bis der Kompagnon Deines Vaters ihm Geld überweisen kann, haben wir immer noch den Mietzins.
    Vaters Husten ist leider schlimmer geworden. Morgen wird er einen Arzt aufsuchen. Unser bisheriger Hausarzt hat es leider für notwendig erachtet, das Land zu verlassen.
    Liebes Kind, bleibe in New York, bis sich die Lage beruhigt hat. Und dann komme wieder.
    In der Hoffnung, Dich schon bald wieder in die Arme schließen zu können,
    Dein Vater und Deine Mutter
    Wien, am 25. April 1938“
    In unserem Gymnasium hatte der Geschichtsunterricht mit den Friedensverträgen nach dem Ersten Weltkrieg geendet. Der Rest sei zu neu um schon als Geschichte gelten zu können, hatte man uns erklärt. Davon könnten uns die Eltern und Großeltern aus eigenem Erleben erzählen. Die wenigsten allerdings hatten das getan. Und wenn, hatten sie allzu sehr aus ihrem persönlichen Blickwinkel berichtet. Was man ihnen auch schwer vorwerfen konnte.
    Natürlich wusste ich einiges über den Holocaust und ich wusste vom Jubel, den es in Österreich beim Einmarsch der Hitler-Truppen gegeben hatte. Aber auch in meiner Familie war wenig über die Nazizeit gesprochen worden. Mehr hatte ich da schon über die Untaten der russischen Besatzung nach dem Krieg erfahren. Russen waren und blieben das Feindbild meines Vaters. Er war im Zweiten Weltkrieg noch ein Kind gewesen, ein Soldat hatte ihm seine erste Uhr weggenommen und das saß tief.
    Ich nahm den nächsten der beiden

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