Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
stand.
Zwei schlanke Frauen unbestimmbaren Alters und in teurem Kostüm stiegen aus einem dunklen Mercedes und machten einen möglichst großen Bogen um die Demonstranten. Ein Paar ließ sich von seinem Chauffeur bis zum Eingang bringen und tat so, als ob es den Protest gar nicht bemerkte. Eine ältere Frau kam zu Fuß die Gasse herauf und läutete ebenfalls in der Birkengasse 14. Ich hatte bereits über dreißig Gäste gezählt, als Bogdans Taxi vorfuhr. Vesna stieg aus, elegant in Dunkelgrau, mit einem Gang, als trüge sie immer Schuhe mit Absatz. Unwillkürlich ballte ich die Hände und drückte ihr auch physisch die Daumen.
Im Lauf der nächsten Stunde kamen weitere Gäste an, insgesamt zählte ich 54 Personen. Die meisten von ihnen sahen wohlhabend aus. Der Kulturstaatssekretär war mit einer schlanken Frau ganz in Weiß gekommen, der Wurstfabrikant hatte sich im Rolls-Royce vorfahren lassen. Und auch ein paar andere Gesichter waren mir bekannt vorgekommen. Offenbar verfügten die Bernkopfs über sehr gute Beziehungen und Kontakte zur High Society. Aber das hatte ich ja bereits gewusst. In der Garagenauffahrt stand ein offener schwarzer BMW, wohl ein besonderer Gast, der hier parken durfte. Hatte die Studentin nicht erzählt, dass der Bernkopf-Sohn ein Kabrio fuhr?
Ich versuchte mir vorzustellen, wie das Haus und seine Umgebung im Jahr 1938 ausgesehen haben konnten. In der Gasse hatte sich wahrscheinlich gar nicht so viel verändert. Abgesehen von einer Villa, die eindeutig nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden war, stammten alle Häuser aus der Zeit der Jahrhundertwende. Der Großteil der Bäume sah aus, als hätten sie schon vor über sechzig Jahren Schatten gespendet. Hinter der Häuserzeile begann der Erzherzog-Karl-Park. Ein weitläufiges Gelände, jede Menge Grün.
Autos hatte es damals natürlich weniger gegeben. Und wohl auch keine Demonstrationen.
Es wurde dämmrig. Die Fenster im letzten Stock des Hauses waren erleuchtet, Geigen- und Klaviermusik drang leise herüber. Es wurde finster. Ein kalter, fast voller Mond stand über dem Haus in der Birkengasse 14. Dann wurden die Fenster weit geöffnet, Stimmen und Lachen waren zu hören. Die ersten Gäste verließen die Party. Ein Mann zündete sich gierig schon am Hauseingang eine Zigarette an. Offenbar herrschte bei den Bernkopfs Rauchverbot. Kein Lebenszeichen von Vesna. Ob es bei Familie Rosner auch Feste gegeben hatte? Mit Sicherheit. Hannis Vater war Anwalt gewesen, Geld und Gelegenheiten hatten wohl ausgereicht, um hin und wieder zu feiern. Bestimmt hatte Hanni ihre Freundinnen eingeladen. Jetzt dämmerte eine im Altersheim vor sich hin, eine war gestorben und von den anderen beiden fehlte jede Spur.
Ich schreckte hoch. Eine Sirene. Ich konnte Polizei- und Feuerwehrsirenen nie auseinander halten. Ich lauschte angestrengt. Eine Polizeisirene. Jetzt war ich mir fast sicher. Ich sah gehetzt auf den Hauseingang. Die Polizisten lehnten weiter am Gartenzaun. Keine Veränderung. Ich lauschte. Auch am Stimmengewirr aus der Wohnung der Bernkopfs hatte sich nichts geändert. Die Sirene kam näher. Was sollte ich tun? Wegfahren? Vesna zu Hilfe kommen? Da. Die Eingangstür ging auf. Ich krallte meine Hände ins Lenkrad. Zwei lachende Frauen traten heraus. Die Sirene wurde leiser und war schließlich nicht mehr zu hören.
Ich kramte in der Seitentasche meines Autositzes und zog eine kleine Flasche irischen Whiskey heraus. Notvorrat. Jetzt brauchte ich einen Schluck. Nur einen.
Vesna kam aus dem Haus. Allein, die große schwarze Handtasche unter dem rechten Arm. Sie sah sich um, ignorierte die Mahnwache, wie alle aus der Bernkopfschen Gesellschaft, und kam dann langsam auf mein Auto zu. So, als ob sie den mondhellen Abend genießen und noch etwas spazieren gehen wollte. Ich öffnete die Tür und blitzschnell saß Vesna an meiner Seite.
„Ich habe ihn“, sagte sie, „fahr los, Mira Valensky.“
Ohne ein Wort zu sagen startete ich. Niemand hielt uns auf. Niemand folgte uns. Erst drei Gassen weiter fragte ich: „Den Fotoapparat?“
„Was sonst? Mit eingraviert ‚Jane‘.“
Ich zwängte mein Auto in eine Parklücke. „Erzähle.“
„Also gut.“ Vesna holte tief Luft. „Von Anfang an.“
Ich nickte ungeduldig.
„Also, ich bin ins Haus gegangen. Die Türe der Bernkopf-Wohnung war offen. Die Polin hat so ein kleines weißes Schürzchen getragen, wie in alten Filmen. Lächerlich. Ich bin auf sie zu und habe gesagt: ‚Frau Doktor‘ – Doktor
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