Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Tagen war Heinrich K. Speerspitze der Demonstrationen vor dem Haus in der Birkengasse. Der wegen Ruhestörung und Widerstands gegen die Staatsgewalt mehrfach vorbestrafte Student könnte Jane Cooper zuerst überredet haben das Haus zurückzuverlangen und sie später ermordet haben, um eine politische Bühne zu bekommen. Von Hinweisen in diese Richtung jedenfalls wusste man in gut informierten Polizeikreisen zu berichten. Auffällig auch, dass jene Journalistin, die versucht hatte, die Morde dem unbescholtenen Hausbesitzer in die Schuhe zu schieben, mitten unter den Demonstranten gesehen worden ist. Gut möglich, dass der Mord an dem Psychiater Peter Z. (37) zwar im selben Milieu, aber ohne Zusammenhang mit dem an Jane Cooper verübt wurde. Er dürfte von einem seiner Patienten vergiftet worden sein.“
Dieser Unsinn kam nicht von Zuckerbrot. Das hatten sich die Journalisten vom „Blatt“ ganz alleine aus den Fingern gesogen. Sicher. Oder zumindest fast sicher. Warum hatte mir der Demonstrant nicht erzählt, dass er Jane Cooper gekannt hatte?
Ich schnappte meine Tasche, fluchte darüber, dass ich mein Auto zu Hause gelassen hatte und leistete mir ein Taxi.
Das Häufchen stand mit seinen Transparenten und Spruchtafeln dort wie an den Tagen zuvor. „Warten Sie“, wies ich die Fahrerin an, „ich komme gleich wieder.“
Ich pflanzte mich vor dem Studenten auf. „Warum haben Sie nicht gesagt, dass Sie Jane Cooper kannten?“
„Ach, auch schon das ‚Blatt‘ gelesen“, lautete die Antwort. Er blickte mich spöttisch an.
„Besser, Sie steigen vom hohen Ross. Die Geschichte ist Schwachsinn, aber viele Leute werden sie glauben. Also, woher kannten Sie Jane Cooper?“
Er sah mich misstrauisch an. Dann lockerten sich seine Züge und er wirkte mit einem Mal sehr jung und sehr verwirrt. „Ich arbeite bei der Migrantinnen- und Migrantenstelle, nebenher, meistens gratis. Sie haben viel zu wenig Leute und viel zu viel zu tun. Und ich war eben da, als die junge Amerikanerin gekommen ist. Ich habe ihr den Tipp mit der Pension ‚Alexandra‘ gegeben. Das war alles, ich habe sie nie wieder gesehen. Ich habe keine Ahnung, wer das dem ‚Blatt‘ erzählt haben kann.“
„Und die Mahnwache hier?“
„Glauben Sie, ich begehe einen Mord, damit wir in die Zeitung kommen? Ich bin beim Antifaschistischen Bund. Wir sind Pazifistinnen und Pazifisten.“
„Hat man Sie sonst noch einmal mit Jane Cooper gesehen? Waren Sie mit Ihr im Freud-Museum? Gab es irgendeinen Kontakt zum ermordeten Psychiater?“
Er schrie beinahe. „Nein, wenn ich es Ihnen sage: Ich habe sie ein einziges Mal gesehen. Und jetzt versuchen die mir daraus einen Strick zu drehen. Dabei sind wir total gegen Gewalt.“
Die restlichen an der Mahnwache Beteiligten waren näher gerückt. Ich schluckte. „Aber wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt sind Sie verurteilt worden.“
„Klar, das sind wir alle. Über Polizeimethoden sollten Sie einmal etwas schreiben, aber das passt wohl nicht in ihr Hochglanzmagazin.“
„Halten Sie mich auf dem Laufenden.“ Ich drückte ihm noch einmal eine Karte in die Hand und stieg ins Taxi.
Zuckerbrot drohte mich vom Fleck weg in Beugehaft nehmen zu lassen. Er brüllte am Telefon etwas von unterschlagenem Beweismaterial, und dass mir diesmal auch mein Freund Droch und mein ganzer Charme nichts helfen würden. War ich charmant? Ich hatte mich eigentlich nie so gefühlt. Und: Wollte ich überhaupt charmant sein? Für einen Moment war ich abgelenkt, dann konzentrierte ich mich wieder voll auf Zuckerbrots Vorwürfe. Er war wütend, weil wir den Fotoapparat gefunden hatten und er nicht. Ich sagte ihm das und hielt dann den Hörer einen halben Meter von meinem Ohr weg. Er befahl mir sofort ins Sicherheitsbüro zu kommen, samt Fotoapparat und Fotos.
Es wäre mir lieber gewesen, einer seiner Beamten hätte die Sachen abgeholt. Ich bin keine Freundin direkter Konfrontationen. Schon gar nicht, wenn die Gegenseite weitgehend im Recht ist. Aber was blieb mir anderes übrig?
Diesmal ließ er mich nicht warten. Er stand schon im Sekretariat, als ich die Tür öffnete. „Kommen Sie“, sagte er barsch. „Ich habe einen Kollegen gebeten, bei unserem Gespräch mit dabei zu sein. Sicher ist sicher.“
Auch das noch. Ich folgte ihm in sein Zimmer. Ein junger Beamter in Zivil erhob sich und gab mir die Hand. „Fahrnleitner.“
„Valensky“, erwiderte ich und musste trotz meines flauen Gefühls im Magen über seine förmliche
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