Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
da?“
„Warum?“
„Recherchen.“ Mir kam die Mahnwache ganz recht. Mit so vielen Zeugen konnten sie schlecht versuchen noch eine dritte Leiche zu produzieren.
„Wir sind erst vor einer Stunde gekommen. In der Nacht zahlt es sich nicht aus, da zu sein. Da merkt es niemand. Keine Ahnung, ob sie im Haus sind.“
„Hoffentlich komme ich hinein.“
„Kein Problem“, erwiderte der Anführer, „das Gitter zur Garagenauffahrt funktioniert automatisch. In der linken Säule ist ein kleiner versteckter Knopf.“
„Und trotzdem stehen Sie außerhalb?“
„Hausfriedensbruch kommt teuer. Wir wollen bloß zeigen, dass nicht alle in diesem Land Arisierungen für völlig normal halten.“
„Scheiß auf das Land“, sagte die Grünhaarige, „wir sagen, dass endlich Schluss sein muss mit den Nazimethoden.“
Einer drückte für mich auf den versteckten Knopf, das Gitter ging auf. Ich lief zur Eingangstüre und stellte fest, dass sie verschlossen war. Was soll’s. Ich wollte die Leute von der Mahnwache nicht in die Sache hineinziehen, also läutete ich bei Bernkopf. Der Summer ertönte. Keinerlei Rückfragen. Ich atmete tief durch und öffnete die Tür.
Zwei Stockwerke nach oben. In den Fenstern der Treppenabsätze standen große altmodische Grünpflanzen. Mit Pflanzen, die man nicht essen kann, kenne ich mich nicht besonders aus. Ich glaube, es waren Sansevierien.
Im obersten Stockwerk gab es nur eine einzige Türe. Sie stand offen. Und in der Tür stand ein Mann um die dreißig. Groß, schlank, mit dunklen Haaren und hellen Augen. Eine sportliche Erscheinung. Er lächelte verbindlich. Ob Ministerialrat Bernkopf da sei?
„Nein, meine Eltern sind im Vormittagskonzert des Musikvereins. Ich dachte, sie wären zurück und hätten geläutet. Deswegen habe ich geöffnet. Was kann ich für Sie tun?“
Einen Moment lang überlegte ich. Es war wohl besser, wenn er seine Eltern nicht warnen würde. „Schade, dann komme ich ein anderes Mal wieder. Es geht um eine Hausangelegenheit.“
„Sie werden doch nicht bei uns einziehen wollen? Das wäre mir eine Freude.“
Sein Lächeln war etwas zu breit. Wie hatte die Studentin gesagt? Er hielt sich für unwiderstehlich. „Gehört das Kabrio Ihnen?“
„Ja, das tut es.“
„Schönes Auto, ich komme dann ein anderes Mal wieder.“ Bevor er weiterfragen konnte, eilte ich die Treppe nach unten, vorbei an den Demonstranten, die Gasse hinauf zu Vesna.
„Fehlanzeige“, sagte ich zu ihr, „es war nur der Sohn daheim.“
[ 16. ]
Am Montag fuhr ich früher als sonst in die Redaktion. Heute würde sich ein Gespräch mit Zuckerbrot nicht mehr vermeiden lassen. Besser, ihm von Anfang an klarzumachen, dass ich eben als Journalistin das Recht hatte, zu recherchieren, was ich wollte. Außerdem hatten wir ohnehin versucht ihn am Wochenende zu erreichen.
Die Redaktionssitzung hatte schon begonnen. Unser Chefredakteur liebte es, wenn möglichst viele von uns daran teilnahmen. Aber Anwesenheitspflicht bestand nur für die Ressortchefs. Mein Ehrgeiz hielt sich in Grenzen, ich verzichtete auf das Theater, so oft es ging. Letztlich blieben diejenigen Sieger, die dem Chefredakteur am besten einzureden vermochten, dass ihre Ideen eigentlich seine gewesen waren. Der Großteil der Storys freilich ergab sich ohnehin automatisch: Wenn alle über Rinderwahn schrieben, schrieben auch wir darüber. Wenn alle über eine Ablöse des Ministers XY spekulierten, spekulierten wir mit.
Ich versuchte, mein Telefonat mit der Sicherheitsdirektion noch hinauszuzögern, holte mir einen Packen Zeitungen und verzog mich an meinen Schreibtisch. Das „Blatt“ brachte auf Seite 8 ein Foto des Demo-Anführers vor dem Haus in der Birkengasse. „Neuer Verdächtiger?“, stand darunter. Über den Augen des Demonstranten war ein dünner schwarzer Balken. Das entsprach dem Medienrecht, hatte aber bloß die Wirkung, dass er tatsächlich gefährlich und verdächtig erschien. Erkennbar blieb er trotzdem. Ein Glück, dass sie kein Bild genommen hatten, auf dem auch ich zu sehen war.
Ich las: „Ein neue Wendung gibt es im Fall der Psycho-Morde. Wie von Experten schon länger vermutet, verstärken sich jetzt die Verdachtsmomente gegen mutmaßliche Täter aus dem linksextremen Milieu. Der Student Heinrich K. stand mit der ermordeten Amerikanerin Jane Cooper (22) von Anfang an in Verbindung. Mit ihm traf sie sich auch in einer so genannten Flüchtlingsberatungsstelle, in der er zeitweise Dienst tut. In den letzten
Weitere Kostenlose Bücher