Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
geschossen worden waren. Die Inszenierung verfehlte tatsächlich nicht ihre Wirkung, denn auf den ersten Blick sah die Tote tatsächlich aus wie ein Engel.
„Unser Mörder hat in großer Eile gearbeitet, es ist alles sehr ungenau.“ Braun klopfte mit dem Finger auf eine Vergrößerung der aufgeklebten Federn. „Sind das auch Taubenfedern?“
Gruber zuckte mit den Schultern und fuhr mit einem abgebissenen Fingernagel die Zeilen auf dem Computerausdruck entlang.
„Hier steht nichts. Ich kümmere mich darum.“
Paul Adrian hatte es zu Braun bereits am Tatort gesagt: Das Mädchen war ganz langsam erstickt worden, deshalb der grotesk geöffnete Mund, wie für einen lautlosen Schrei. Das Gesicht war mit einer Klarsichtfolie umwickelt, die so fest zusammengezogen war, dass sich die Züge der Toten bizarr verzerrten.
Ein anderes Foto des Gesichts ohne Folie. Die zur Fratze verzerrten Züge hatten wenig mit einem menschlichen Gesicht zu tun. Die Nase war plattgedrückt und durch die Folie gequetscht. Die weit aufgerissenen blutunterlaufenen Augen von jetzt undefinierbarer Farbe starrten Braun geradezu anklagend an, so als wäre er schuld, dass er ihren grausamen Tod nicht verhindert hatte.
„Es könnten blaue Augen gewesen sein, sagt die Gerichtsmedizin. Genaueres werden wir aber erst nach der Obduktion erfahren“, riss ihn Gruber, der noch immer aus der Kurzanalyse zitierte, aus seinen Gedanken.
„Die Zähne der Toten sind vorne oben und unten überkront. Jeweils acht Zähne, das ist ziemlich teuer.“ Gruber bleckte sein makelloses Gebiss.
„Auch hier haben wir ein interessantes Detail: Laut Paul Adrian sind die Kronen aus der Slowakei.“
„Aus der Slowakei?“ Braun überlegte, in welchem Zusammenhang die Slowakei kürzlich erwähnt wurde, kam aber nicht darauf.
„Ja, Adrian ist sich da ziemlich sicher, denn auf der Innenseite der Kronen ist eine Legierung, die nur in der Slowakei verwendet wird.“
„Dann schickt sofort ein Bild und die Fingerabdrücke der Toten zur Mordkommission nach Bratislava. Vielleicht ist sie Slowakin und in irgendeiner Datenbank gelandet“, entschied Braun und dachte kurz nach. „Trotzdem schicken wir auch einen Gebissabdruck an alle Zahnärzte in Linz.“
Noch immer versuchte Braun seine Gedanken vollkommen auf die Bilder zu konzentrieren und den geschäftigen Lärm seines Teams einfach auszublenden. Ein Foto erregte jetzt plötzlich seine Aufmerksamkeit. Es zeigte die linke Hand des Mädchens. Dort hatte es eine kaum sichtbare, halbmondförmige Narbe zwischen Daumen und Zeigefinger, die von einem Biss stammen konnte. Doch es war weniger die Hand, die Braun interessierte, sondern die Uhr, die am Handgelenk der Toten zu sehen war. Eine Uhr, groß und kompakt, eine Uhr, deren Zeiger an den Spitzen im Blitzlicht der Kamera funkelten, eine Uhr, die teuer wirkte, eine Uhr, die Braun schon einmal gesehen hatte.
„Ich habe die Uhr schon einmal irgendwo gesehen“, murmelte er mehr zu sich selbst, schloss die Augen und ließ die vergangenen Tage an sich vorbeiziehen.
„Wo ist die Uhr jetzt?“, schrie Braun in die Halle, um den allgemeinen Lärm von Rotoren und Telefonaten zu übertönen.
„Wird in der Spurensicherung analysiert!“ Gruber stand noch immer neben ihm und heftete einige Ausdrucke auf die Pinnwand. „Die Spurensicherung hat die Uhr natürlich für uns fotografiert.“
„Für B. W. 18.08. i. L.“, rätselte Braun und fuhr mit den Fingerspitzen über das Foto von der Rückseite der Uhr, auf der die Ziffern und Buchstaben in schnörkeliger Schrift eingraviert waren.
„Sieht wie ein Datum aus.“ Gruber stellte sich neben Braun und steckte die Hände in die Taschen seiner Jeans. „Geburtstag oder Hochzeitstag, würde ich sagen. Eine teure Automatikuhr, nur das Uhrband wurde billig erneuert. Es fehlt der serienmäßige Sicherheitsverschluss“, erkannte Gruber sofort mit Kennerblick.
„Warum lässt er ihr die Uhr? Die junge Frau ist nackt, als Engel inszeniert und dann schmückt er sie mit dieser teuren Armbanduhr? Das macht doch auf den ersten Blick keinen Sinn!“
„Vielleicht war die Uhr eine Art Talisman für sie? Und das hat sie ihrem Mörder unter der Folter gestanden.“ Gruber streckte sich und gähnte herzhaft. Er sah aus, als würde er sofort wegpennen, wenn man ihn auf ein Sofa setzte. Diese Lethargie nervte Braun gewaltig, früher war Gruber anders gewesen, hatte einen Enthusiasmus an den Tag gelegt, der beeindruckend war, aber in letzter
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