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Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese

Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese

Titel: Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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schmollen, und Jakewusste, dass es keinen Sinn hatte, mich überreden zu wollen. »Verstehe«, sagte er und stand wieder auf. Ich hörte ihn ins Schlafzimmer gehen, doch schon kurz darauf kam er wieder heraus und schloss leise die Wohnungstür hinter sich. Mit fest um den Leib geschlungenen Armen und geschlossenen Augen lag ich da und versuchte, mit reiner Willenskraft die Enttäuschung wegzuwischen.
    Als ich die Augen wieder öffnete, war es dunkel im Zimmer. Ich war wohl in das schwarze Loch eines Tiefschlafs gefallen. Reglos lag ich da, frierend, aber ohne den Wunsch aufzustehen. Nur meine Blase sah das anders. Auf einen Ellbogen gestützt hievte ich mich langsam hoch, und da spürte ich es.
    Es fühlte sich weder stechend noch pochend an, nur vernebelt wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Als ich mich aufsetzte, lief etwas Warmes, Klebriges meine Oberschenkel hinunter. Ich sah nicht mal hin. Ich wollte nicht auch noch Augenzeugin sein. Eine Frau, die unmöglich ich selbst sein konnte, ging zum Badezimmer und blieb unterwegs noch ganz vernünftig stehen, um nach ihrem Handy zu greifen. Nachdem sie eine Nummer gewählt hatte, zog sie ihre Jeans und den hellgelben Slip herunter und setzte sich auf die Toilette.
    »Hier ist Quincy Blue«, sagte sie. »Ich muss Frau Dr.   Frumkes sprechen.« Die Praxishelferin schob sie in die Warteschleife, und die Geisterfrau protestierte nicht mal. Sie war erstarrt, und mit ihr die ganze Welt. Als die Helferin wieder am Apparat war, fand die Frau die Worte. »Ich glaube, ich habe eine Fehlgeburt«, sagte sie mit größter Ruhe;
wieder einmal
, sogar mit noch größeren Verlusten.
    »Frau Dr.   Frumkes ruft Sie zurück«, sagte die Helferin, in deren Stimme jetzt Sorge mitschwang. »Bitte versuchen Sie, ruhig zu bleiben, Mrs Blue.«
    Ob Dr.   Frumkes nun in fünf Minuten oder in fünf Stunden anrief, ich wusste, dass das, was geschehen sollte, nicht mehraufzuhalten war. Ich legte auf und lief zwischen Sofa und Bad hin und her, während ich die ganz Zeit versuchte, mich darauf zu konzentrieren, welchen Trost und weisen Rat mir meine Mom geben würde. »Die Tage sind lang, aber die Jahre sind kurz«, hatte sie immer gesagt   – das heißt, bevor sie die Fähigkeit zu sprechen verlor   –, wenn ich mich ungeduldig über etwas beschwerte. Ein Satz, der mich jetzt nicht beruhigte. »Glaub nicht, dass du immer weißt, was als Nächstes passiert«, hatte Mom auch oft gesagt. Aber diese Belehrung hatte ich satt. Ich war sicher, dass ich es wusste.
    Was würde Alice Peterson tun? Ich lehnte mich ins Sofa zurück und sah sie mir gegenüber im Sessel sitzen, ihre nackten Füße an den schlanken Fesseln gekreuzt. Sie war ungefähr in meinem Alter, und langes blondes Haar floss ihr den Rücken hinab. Meine Mutter legte einen Krimi von Dorothy Sayers aus der Hand, in den sie als Lesezeichen ein Ripsband tat, ging in die Küche und setzte Teewasser auf. Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, bückte sie sich, ging ihre Alben durch und zog eines heraus. Der hübsche James füllte den Raum. Sogar schon als Mädchen wusste ich instinktiv, dass James Taylor sie an meinen Vater erinnerte, ein weiterer James, den ich nie kennengelernt hatte, dem ich aber, wie mir erzählt wurde, sehr ähnlich sehen soll: die gleichen hohen Wangenknochen, die gleiche langgliedrige Gestalt. Sicher ist jedenfalls, dass ich die kurvige, aber schlanke und vor allem weiche Figur meiner Mutter nicht geerbt habe.
    Ich, die kleine Waise Quincy, wollte meine Mutter. Ich wollte ein Kind   – Kinder   –, damit ich meine Mutter werden, sie von den Toten auferstehen lassen konnte mit all ihrer Zärtlichkeit, ihren liebevollen Gesten und allen ernsten, aber gütigen Ermahnungen. Als ich zum ersten Mal schwanger gewesen war, hatte ich beschlossen, mein Kind, wenn es ein Mädchen werden würde, nach meiner Mom Alice Jane zu nennen. Und ich hatte meine Meinung nicht geändert.
    James Taylors Album ›Mud Slide Slim and the Blue Horizon‹ lief immer noch, als Jake zurückkam. »Du vermisst Mommy, hm?«, sagte er.
    Ich nickte, obwohl Mom nie Mutter oder Ma, Mama oder Mommy gewesen war.
    »Ist ein Take-away okay?«, fragte er und schwenkte die große Plastiktüte in seiner Linken. Sollten andere Leute doch bei ihren klebrigen Stampfkartoffeln und Hühnersuppen bleiben. Ich lebte schon sehr lange in New York, und hier gehörte Pad Thai mit Shrimps, scharf gewürzt mit Tamarinde und Chilipfeffer, zur normalen Hausmannskost. »Fühlst du dich

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