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Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese

Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese

Titel: Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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auf die Karte. »Halt hinter der Kirche und der großen Scheune Ausschau nach einer Abzweigung.«
    »Wo immer das sein soll«, sagte Jules.
    »Wells Point Road«, rief ich eine Minute später. Die Landstraßewar unbefestigt und zog sich schnurgerade dahin. Wir hatten noch keine Meile zurückgelegt, als wir einen Briefkasten mit der Aufschrift »T.   Wells« entdeckten und abbogen.
    Was ich sah, wirkte wie eine pastellfarbene Illustration aus Dashs Beatrix-Potter-Büchern. Ich erwartete, Mrs Tiggy-Winkle höchstpersönlich jeden Moment über den Schotterweg laufen zu sehen, kratzbürstig wie immer und mit der frisch gestärkten Wäsche für Sally Henny Penny. Das Haus war gelb und hatte blaue Fensterläden. Prunkwinden rankten sich die vordere Veranda hinauf, die sich nach links etwas neigte und vollgestellt war mit Schaukelstühlen und anderen Sitzgelegenheiten aus Korbgeflecht.
    Ich war entzückt von dem malerischen Charme. Jules nicht so sehr. Sie sah sich das Ferienhaus an und schüttelte den Kopf. »Wenn ich mir vorstelle, dass wir jetzt aus dem Flugzeug steigen und das beste Risotto der Welt essen könnten«, murmelte sie vor sich hin.
    Wir nahmen unsere Koffer und so viele Einkaufstüten voll Lebensmittel, wie wir tragen konnten, und gingen über einen überwucherten Steinweg auf das Haus zu. Ich betätigte den Türklopfer aus Messing in der Form eines Krebses.
    »Es ist offen«, rief Talia und tauchte aus der Dunkelheit, die im Innern der Hütte herrschte, auf. Eine Locke lugte unter ihrem Kopftuch hervor.
    »Was zum Teufel ist das da um deine Taille?«, fragte Jules.
    Talia wischte sich die Hände an der verblichenen Baumwollschürze ab und umarmte zuerst Jules und dann mich.
    »Ist Quincy schon hier?«, fragte ich.
    »Sie ist mit dem Ruderboot draußen und versucht, was zum Abendessen zu fangen.« Talia lachte. »Aber keine Sorge. Ich mariniere gerade Hühnchen zum Grillen.« Sie spähte in die Tüten und leckte sich die Lippen. »Oh-ho. Stellt alles dort ab, ich kümmere mich darum. Geht einfach rauf und macht es euch bequem.« Sie zeigte zu einer Tür. »Ihr beide könnt euchdas große Zimmer teilen. Oder jeder ein eigenes Schlafzimmer nehmen. Wie ihr wollt.«
    Wir knobelten. Jules gewann und bekam das Schlafzimmer mit den zwei Himmelbetten. Ich ließ mich in dem hinteren Raum nieder. Er war winzig, aber ehrlich gesagt schlief ich sowieso dort besser, wo es dämmrig und gemütlich war. Talia hatte einen Strauß Wicken auf das Nachttischchen gestellt, und die Laken des schmalen, mit geschnitzten Ananasfrüchten verzierten Betts dufteten frisch.
    Ich hängte ein paar Sachen in einen altmodischen Schrank und stopfte den Rest zusammen mit einem brandneuen Duftkissen in die Schubladen einer verzogenen Kommode. Mein Parfüm, einen Wecker und ein Foto von Xander und Dash stellte ich oben drauf. Dann war ich so weit und wollte mit meinem neuen Buch ›Ihr Dreijähriger: Freund oder Feind?‹ an den See gehen. Ich suchte in meinem Koffer, in meiner Handtasche, in meinem Leinenbeutel, wurde aber nicht fündig.
    Talia gab gerade viel zu viel Mehl an den Pastetenteig, den sie auszurollen versuchte, als ich in die Küche kam. Teigklumpen klebten an dem Holzbrett. »Ich bin so blöd«, sagte ich. »Ich habe mein Buch vergessen. Gibt es hier irgendetwas, das ich mir ausleihen könnte?«
    »Jede Menge. Wenn sie nicht gerade eine ihrer düsteren Launen hat, tut Abigail nichts anderes als Unkraut jäten und lesen. Geh in das Zimmer, in dem ich schlafe   – gleich neben dem Wohnzimmer   – und sieh mal in dem Regal nach.«
    Dort entdeckte ich es. Während ich vor dem Bücherregal hockte und überlegte, welcher Roman am wenigsten Staub angesetzt hatte, wehte durch das offene Fenster eine Brise herein und brachte einige Papiere auf dem Schreibtisch durcheinander, und so fiel mein Blick auf ein Fax mit dem Betreff »Jackson-Collegiate-Essay«. Ich blieb davor stehen und starrte es an, wie eine Klapperschlange ihr Opfer kurz vor demAngriff. Dann schlich ich auf Zehenspitzen zur Tür   – es war keiner in der Nähe   – und schloss sie, ehe ich zurück an den Tisch ging. Das Fax war nicht für mich bestimmt, doch das hielt mich keineswegs davon ab, es zu lesen.
    Die Hymne auf Master Henry Thomas Fisher-Wells erklärte mit großer Liebe zum Detail, warum dieser kleine Mann der ideale Schüler für die Jackson Collegiate sei. Ich las den Essay zweimal. Diesem Bericht nach zu urteilen war Henry zweifellos zu Großem

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