Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Auswahlrunde geschafft habe.
Ich wählte June Rittenhouses Nummer. Ich war heute recht früh im Büro und erwartete, einfach eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen. Wenn ich später auf den Rückruf warten würde, blieb mir immer noch reichlich Zeit, mich selbst zu geißeln. Doch als Nächstes hörte ich die Worte: »June Rittenhouse.« Faul war sie nicht. Mrs Rittenhouse ging schon um fünf vor halb neun an ihr Telefon.
»Guten Morgen. Hier ist Talia Fisher-Wells.« Meine Kehle fühlte sich trocken an. Ich schluckte zweimal. »Entschuldigung, aber haben Sie mich angerufen?«
Haben Sie mich
endlich
angerufen?,
zischte die Fiese Fiona. In den letzten beiden Wochen hatte ich jeden dritten Tag bei June Rittenhouse angerufen, ohne einen Rückruf zu erhalten.
»Das habe ich«, erwiderte sie streng. »Ich warte schon seit gestern Morgen auf Ihren Anruf. Sie haben es in die letzte Auswahlrunde geschafft, und die Agentur möchte Sie kennenlernen.«
»Großartig«, sagte ich, erleichtert, dass die Nächte und Wochenenden, die ich in die Präsentation gesteckt hatte, nicht nur zu Toms Quengelei geführt hatten. »Danke. Gibt es schon einen Termin?«
»Der Creative Director hat ein Fotoshooting in Punta Cana, das zwei Wochen dauern wird. Deshalb muss er Sie gleich morgen treffen. Frei sind noch die Termine um zehn und um zwei Uhr.«
Chloe würde im Büro sein. Das war kein Problem. Aber Toms Eltern kamen nach New York, ein Ereignis so selten wie eine Sonnenfinsternis und manchmal auch genauso düster. Henry und ich sollten sie im Central-Park-Zoo treffen, gefolgt von einem Geburtstagslunch für Abigail im Metropolitan Museum, wo Tom zu uns stoßen würde. Ich sagte: »Zwei Uhr, bitte.«
Am nächsten Morgen suchte ich nach einem Outfit, das mich sicher durch den Zoo, das Met und das Gespräch in der Werbeagentur bringen würde. Da musste ich wohl ganz auf meine natürliche Eleganz setzen, wenn ich denn eine besaß – was eine besondere Herausforderung war, da der Herbst, den wir laut Kalender schon hatten, uns zurzeit konstant Temperaturen um die dreißig Grad bescherte.
Ich beschloss, dass der Tag nach meinem Ava-Gardner-Look verlangte, die meine
Babe
– die zugegebenermaßen wegen ihres grauen Stars bald operiert werden musste – für mein zweites Ich hielt. Mit Lockenwicklern im Haar, die meine Kringel zu Wellen formten, schlüpfte ich in einen hautengen Rock und zog eine Kastenjacke mit dreiviertellangen Ärmeln an, die ich in der Taille mit einem Gürtel band. Sorgfältig trug ich zwei Schichten roten Lipgloss auf und fand auch meineSonnenbrille noch, die ein echter Hingucker war. Als ich mich schließlich vor den Spiegel stellte, sah mich ein Pin-up-Girl aus den Fünfzigerjahren an. Tom auch.
»Habe ich etwa die Einladung zur Rat-Pack-Party übersehen?«, fragte er, als er mit einem Handtuch um die Hüften aus der Dusche kam. »Es ist noch Zeit genug, ich könnte als Dean Martin gehen.«
»Wie findest du die Sonnenbrille?«, fragte ich. »Bisschen zu viel, oder?«
»Zu viel wofür? Um meiner Mutter einen Herzinfarkt zu bescheren?«
Zu meinem aufrichtigen Bedauern gab die Fiese Fiona Tom reflexartig eine zwar richtige, aber unnötige Antwort: »Egal, was ich trage, deine Mutter hasst es sowieso.« Alle Jahre wieder schenkte Abigail mir zu Weihnachten –
kleiner Wink
– einen Gutschein von Brooks Brothers. Daher meine Sammlung nur selten getragener Baumwoll-Bermudas.
»Meine Mutter hasst es nicht, wie du dich kleidest – sie versteht es nur nicht, das ist alles«, sagte er mit einem erschrockenen Blick auf meine schwarzen Plateau-Peeptoes und fügte mutig hinzu: »Und manchmal kann ich das sehr gut nachvollziehen.«
Ich spürte, wie mein Gesicht die leuchtende Farbe meiner Lippen annahm. Doch es war völlig aussichtslos, ihm erklären zu wollen, dass für mein Ensemble vor allem diese Schuhe wichtig waren, weil sie meine Beine vorteilhaft zur Geltung brachten. »Ich habe ein Vorstellungsgespräch am Nachmittag. Für den Job, für den ich die Probepräsentation angefertigt habe.«
»Wirklich?«, sagte Tom misstrauisch und zog die Augenbrauen dramatisch zusammen.
»Keine Angst, ich treffe mich nicht mit meinem Exfreund von der Highschool. Ich habe einen Termin mit dem Creative Director der Agentur, um zwei Uhr.«
Er ging an seinen Schrank und sagte kein Wort mehr, während er sich ganz im Connecticut-Stil anzog: legere Stoffhose, roséfarbenes Button-Down-Hemd, dunkelblaues
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