Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
dem großen Klavier. »Quincy! Irre, wie flach dein Arsch is’. Wie machste das? Bei mir müssten auch ’n paar Pfund runter. Saftdiät, stimmt’s?«
»Nein, Stressdiät«, erwiderte ich.
Sie spielte die Melodie ihrer neuesten Ballade an und fragte: »Wieso hast ’n du Stress?« Aber es war zum Glück nur eine rhetorische Frage, der gleich die nächste folgte. »Willste was essen? Is’ noch jede Menge da.« Auf einem der Tische breiteten sich die Reste des japanischen Hotelfrühstücks aus: getoasteter Seetang, sauer eingelegtes Gemüse, eine Kanne grüner Tee und ein volles Glas Milch, höchstwahrscheinlich lauwarm, dafür aber Bio und aus Soja.
»Nein, danke. Ich habe keinen Hunger.«
»Na, denn lass uns loslegen«, sagte sie, doch es klopfte an der Tür. Ein anderer Bodyguard führte eine Frau in einem Kittel und mit einer Koffertasche herein. »Angel! Da biste ja, Süße.« Maizie drehte sich wieder zu mir um. »Angel macht meine Nägel, während wir quatschen. Biste so weit?«
Ich holte mein Aufnahmegerät heraus und machte einen Testlauf. »Maizie May, 16. September.«
»Wo waren wir?«, fragte Maizie und tauchte ihre Füße in eine Wanne nach Gardenien duftenden Wassers, die wie eine Opfergabe vor ihr aufgetaucht war. »Ach ja. Bei meiner reizenden Mutter, diesem Fettklops.« Unser letztes Treffen war drei Wochen her, dennoch plapperte sie an der haargenau richtigen Stelle einfach weiter. Ich drückte auf »On«, und Maizie legte los, während sich Angel mit Bimsstein und Polierfeile an die Arbeit machte. Genau fünfundvierzig Minuten später tippte einer der Bodyguards auf seine Uhr, und Maizie kam zum Ende. »Also hab ich zu dem Miststück gesagt: ›Fick dich doch, du Schlampe‹, bin abgehauen und hab mir ’ne eigene Wohnung in L. A. gesucht.«
»Wie alt warst du da?«
»Siebzehn.« Maizie stand auf, drehte mir den Rücken zu und lief – vorsichtig, um den fuchsiafarbenen Nagellack nicht zu verschmieren – zum Balkon.
»Und wie alt war deine Mutter?«
»Is’ doch egal.« Sie zuckte die Achseln, sah aus dem Fensterund rief plötzlich: »Komm mal her.« Ich tat es. »Was is’ ’n das da?« Maizie zeigte auf einen blassblauen Fleck im Norden des Central Park.
Erst gestern war ich dort gejoggt und hatte meine zukünftige Wohnung von der Fifth-Avenue-Seite des Sees aus bewundert. Dies schien der richtige Zeitpunkt zu sein. »Maizie, sag mal, würdest du mir vielleicht einen Gefallen tun? Mein Mann und ich wollen eine Wohnung kaufen. Du kannst sie von hier sehen.« Ich zeigte auf ein Gebäude mit Zwillingstürmen. Maizie kniff ihre dick mit Mascara geschminkten Augen zusammen. Aus dieser Entfernung war die Wohnung noch nicht einmal so groß wie ein Legostein. Ich spürte, dass mein Gesicht heiß wurde. »Wir brauchen Empfehlungsbriefe, und ich möchte dich bitten, uns einen zu schreiben, wenn du Zeit dazu hast.«
Maizie starrte mich an, als hätte ich sie gebeten, mir fünfzigtausend Dollar zu leihen. »Selbst wenn ich Zeit hätte, was ich verdammt noch mal nich’ hab, weißte doch genau, dass ich nich’ schreiben kann. Dafür hab ich doch dich.«
»Es kann ganz kurz sein, nur ein paar Zeilen.« Ich bettelte. Ich schwitzte. Ich hatte alle Scham verloren.
»Na, schreib’s doch selbst«, sagte sie. Und nach einer theatralischen Pause breitete sich ein Lächeln in ihrem schönen herzförmigen Gesicht aus. »Du Idiot. Klar helf ich dir. Ich lieb dich, Süße. Das weißte doch. Mail mir deinen gottverdammten Traumbrief, wir faxen ihn dir zurück.« Und mit diesen Worten rauschte sie aus dem Zimmer.
Als ich heute Morgen ins Büro kam, fand ich einen Zettel von Chloe. »June Rittenhouse«, stand darauf. Keine Nummer. Kein Datum. Einfach nur der hingekrakelte Name, sonst nichts. Bei unserem Telefonat gestern Abend hatte Chloe mir zwar meine Nachrichten ausgerichtet, aber den Anruf der Headhunterin nicht erwähnt.
Der Bagel, den ich gegessen hatte, stieß mir sauer auf. Was wusste Chloe und seit wann? Bitte, lass sie nichts wissen, betete ich, auch wenn ich es nicht verdiente, von Gott erhört zu werden. Meine Schuldgefühle plagten mich wie von einem Generator angetrieben rund um die Uhr. Es würde mir nur recht geschehen, wenn June Rittenhouse mir sagte, dass die Stelle in Tribeca schon besetzt sei oder dass meine so kunstvoll spiralgebundene Präsentation – danke, ihr spontan wieder zum Leben erwachten Zellen der rechten Gehirnhälfte – es nicht in die letzte
Weitere Kostenlose Bücher