Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
auch ausdrücken. Doch es war so derb, dass ich nicht wusste, was ich erwidern sollte, und froh war, als mein Handy mir mit einem Piepsen einen zweiten Anruf ankündigte. »Da muss ich rangehen«, sagte ich.
»Wo sind Sie gerade?«, fragte Horton, ganz der draufgängerische Geschäftsmann.
»In meinem Wohnzimmer«, sagte ich verblüfft, verschwitzt und fühlte mich im wahrsten Sinn des Wortes zum Kotzen. »Und wo sind Sie?«
»Ich war kurz bei Ihnen und habe was vorbeigebracht, um Sie aufzuheitern. Haben Sie’s bekommen? Am liebsten hätte ich ja Diamanten genommen«, sprudelte es aus ihm in einem einzigen Schwall hervor. »Für die allerliebste meiner Kundinnen.«
Jetzt verstand ich. »Die Luftballons sind hier. Eine sehr witzige Idee. Vielen Dank.«
»Quincy, meine Liebe, die Ballons überbringen eine frohe Botschaft. Der Vorstand hat eine Entscheidung getroffen.«
Ich hatte mich von gut über großartig zu grandios gesteigert. In den letzten Wochen hatte ich vier Vorstellungsgespräche gehabt, die alle – Daumen drücken! – fantastisch gelaufen waren. Meine neu gewonnene Energie verdankte ich Autumn Rutherford. Doch als ich gestern Nacht das Wort
Energie
in einem Gespräch mit Xander fallen ließ, sah er mich an, als wäre er zu einer Fremden ins Bett gestiegen.
Die meisten Leute lassen sich von ihren Freunden Ratschläge zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit geben. Aber Quincy schien meine Anrufe abzublocken, Jules nahm – verständlicherweise – gerade eine Auszeit von ihrer Rolle als Lebensberaterin, und Talia wäre die Letzte gewesen, die ich gefragt hätte. Und meine Ärztin anzusprechen, war mir zu peinlich. Jules nannte sie immer Pussy Queen – nur weil sie sehen wollte, wie ich mich dabei vor Scham krümmte –, aber Frau Dr. F. und ich sind nie Freunde geworden, weil ich nun mal zu Small Talk unfähig bin, wenn ich mit gespreizten Beinen daliege. Also hatte ich im Internet nach einem Therapeuten gesucht und war beim Surfen auf eine Werbeanzeige gestoßen. »Olympiasportler haben Coaches«, hieß es dort für den Fall, dass das irgendwem neu sein sollte. »CEOs nutzen Führungscoaches. Coaching ist unabdingbare Voraussetzung für Erfolg. Wie viel produktiver könnten Sie sein, wenn Sie Ihren eigenen Coach hätten? Sie schulden es sich selbst, das herauszufinden!«
Das alles zog mich an wie ein Handstaubsauger die Cornflakes unterm Küchentisch. Tagelang las ich mich durch die Websites von Lebensberatern. Es gab eine Harriet mit »Spür-die-Energie«-Tattoo und eine brünette Schlangenfrau mit heiter-gelassenem Gesichtsausdruck – Suki Moonbeam, geboreneSuzy Metzenbaum. Doch es war Autumn, die mein Herz eroberte. Sie versprach nicht nur den »geheimen Schlüssel zum Erfolg« aufzuspüren, sondern auch, ihren Klienten beizubringen, »geistigen Ballast loszuwerden«. Nichts befriedigt mich so sehr wie eine Entrümpelungsaktion, sei es eine meiner Handtaschen, der Dachboden oder, zum Entsetzen von Xander, ein alter Koffer aus dem Zeltlager. (Bei allem Verständnis, aber die Insektensammlung stank schon etwas.) Aufräumen ist für mich der schnellste Weg zu guter Laune. Wer braucht Drogen, wenn es doch die Fantasie gibt?
Schon Minuten später war ich in das Einführungsprogramm »Starthilfe zu einem neuen Leben« eingeschrieben, das übers Telefon stattfinden würde, weil Autumns Firma in Arkansas saß. Für nur fünfhundert Dollar würden diese Stunden mir sehr viel mehr dabei helfen, den »Weg zu vollkommener Erfüllung« zu gehen, als mein letzter Besuch in einem Schuhgeschäft.
Autumns Methode basierte auf einer Reihe von Fragebögen, und der erste beschäftigte sich damit, wie man »Farbe ins Leben« brachte. Sie spielte einem die Fragen zu, dass ich meinte, wieder auf dem Übungstennisplatz meiner Kindheit zu stehen, wo ich fast jeden Ball annehmen und zurückschlagen hatte können. Lieblingsspeise: in dunkle Schokolade gedippte Erdbeeren. Film: ›Tatsächlich Liebe‹. Wein: Chardonnay. Musik: Harry Connick Jr. Kunst: Renoir. Feiertag: Valentinstag, was sonst. Blumen: die selbst angepflanzten Orchideen meiner Mutter, denen sie mehr Aufmerksamkeit gewidmet hatte als mir. Vogel: Pfau. Fast Food: Dunkin’ Donuts. Buch: ›Jane Eyre‹.
Wir gingen hundert Fragen durch, und ich war darüber beglückt, dass Autumn Rutherford, ein vom Internationalen Institut für Lebensberatung zugelassener Coach, dabei war, mich auf einer Ebene kennenzulernen, von der Xander
Weitere Kostenlose Bücher