Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Stoffhose, hübscher Blazer, auch wenn sie lange rot gestreifte Krawatten trugen. Die Schulatmosphäre wirkte ordentlich, aber dennoch herzlich. Es gefiel mir fast noch mehr als bei unserem ersten Besuch.
Im Klassenzimmer begann Dash sofort, ein Feuerwehrauto über den Boden zu ziehen. Ich entschied mich für einen Platz am anderen Ende des Raums. Die Wände entlang saßen lauter sympathische, gepflegte Erwachsene, die versuchten, sich hinter einer aufgesetzten Kameraderie zu verbergen und so zu tun, als hinge nicht der ganze akademische Erfolg ihrer Kinder von der nächsten Stunde ab. Alle waren so frisch rasiert und aufgefönt, es fehlte nur noch, dass ihren sorgsam gebügelten Kleidern der Geruch der Reinigung entströmte.
Dash wühlte mittlerweile in der Kostümkiste, als ich ein Lärmen hörte und ein lautes Kind ins Zimmer gerannt kam. Der Junge war ein gutes Stück größer als Dash und trug eine alte, etwas zu große Jacke. Dash sah auf, stieß einen Schrei aus und rannte auf ihn zu. »Henry! Henry! Henry!«, rief erimmerzu, zerrte an dessen Ärmel und zog den Jungen zu den Bauklötzen hinüber. Der Messias war gekommen. Dash verehrte Henry Fisher-Wells.
Ich hielt nach Tom Wells Ausschau, der seinen Sohn immer bändigen konnte, und rutschte zur Seite, um Platz für ihn zu machen.
Ich mochte Tom – er war so solide, wie ein Mann nur sein konnte –, und ein bedauerlicher Nebeneffekt des kalten Krieges zwischen Talia und mir war, dass ich nun keine Gelegenheit mehr hatte, mich mit ihm zu unterhalten. Doch es war Talia, die durch die Tür kam, in einem ihrer eher bedauernswerten Ensembles. Ich erkannte das getigerte Halstuch, das ich ihr selbst mal geschenkt hatte, auch wenn ich es mir nie als Accessoire zu einem knittrigen grauen Rock und einer weißen Hemdbluse vorgestellt hatte, die jeder Secondhand-Käufer mit einem Funken Selbstachtung liegen lassen würde. Sie kam sofort auf mich zu.
»Was machst du denn hier?«, fragte ich und wich nur ein wenig zurück. »Solltest du nicht im Büro sein?« Wenn unser gemeinsamer Schreibtisch leer war, war es Talias Problem.
»Nein. Du solltest dort sein«, sagte sie in anklagendem Ton und zischte, dass wir einen Tausch vereinbart hätten. Ich musste zugeben, wenn auch nur mir selbst gegenüber, das klang irgendwie … vertraut. Diesem Tausch hatte ich allerdings zugestimmt, ehe ich gemerkt hatte, dass er mit dem Termin in der Schule kollidierte. Also hatte ich Talia noch eine E-Mail geschrieben und erklärt, dass ich bei unserem ursprünglichen Plan bleiben wolle. Ich war mir zu neunzig Prozent sicher, dass ich diese E-Mail abgeschickt hatte. Immerhin hatte ich sie noch mehrere Male umgeschrieben, damit sie nicht so entschuldigend klang.
Ich hielt einen Moment inne und versuchte, eine Aura von rosa Ruhe um mich zu schaffen, während ich an meiner langen Perlenkette fingerte. An Autumns Methode musstedoch etwas dran sein. Zu meiner Überraschung hatte ich das Gefühl, die Situation vollkommen im Griff zu haben!
»Aber es ist mein üblicher freier Tag«, sagte ich ganz sachlich. Talia runzelte die Stirn und drehte sich weg. Ich war sicher, dass sie wütend war, so wie die neue Chloe es sein würde. Die alte Chloe hätte sofort angenommen, dass das Durcheinander ganz allein ihre Schuld sei. Ich
liebte
die neue Chloe!
Die Lehrerin klatschte in die Hände. Dash folgte gehorsam ihrer Anweisung und setzte sich an einem der kleinen Tische auf einen Stuhl. Henry blieb in der Ecke hocken und stapelte weiter Blauklötze aufeinander. Die Lehrerin ging zu Henry und versuchte, ihn zu überreden, sich den anderen anzuschließen. Er ignorierte sie. Ich blickte zu Talia, die auf eine selbstgefällige Art amüsiert wirkte. »Der große Junge ruiniert den anderen alles«, sagte die Mutter neben mir, nicht allzu leise.
»Henry«, begann die Lehrerin. »So benehmen sich die Jungen und Mädchen an der Jackson Collegiate aber nicht.«
Die Mutterhenne warf Henry einen strengen Blick zu, und dann – eins zu null für Henry Fisher-Wells – sagte der arrogante kleine Gockel mehrmals »Scheiße«, als er mit der Faust sein eigenes Gebäude bombardierte. In dem Moment, als der Kraftausdruck fiel und die Bauklötze in sich zusammenkrachten, herrschte plötzlich helle Aufregung im Klassenzimmer. Die anderen Kinder sprangen von ihren Stühlen auf und rannten herum.
»Hat der Junge etwa das Tourette-Syndrom?«, fragte der Mann neben mir. »Das hier ist doch keine
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