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Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese

Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese

Titel: Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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tiefsten Winter, fand irgendein Flohmarkt statt, auf dem man zum Beispiel für fünf Dollar eine alte schwarze Lederjacke für ein Vorschulkind bekam.
    Vor zwei Wochen hatte Tom mir von dem Vorstellungstermin heute erzählt. Er fiel auf einen meiner Arbeitstage, und Tom wollte, dass ich meine Pläne änderte   – was ich tat   –, um Henry zu begleiten. »Mich kennt die Schuldirektorin ja schon«, betonte er. »Betsy muss sehen, dass auch du mit an Bord bist und dass Henry an meine Lobreden tatsächlich heranreicht.« Sexismus spielte auch eine Rolle. Tom wollte nicht, dass Henrys Mutter wie die typische Karriere-Mom herüberkam. Die unterschwellige Botschaft, die ich auf dem Treffen der Eltern empfangen hatte, lautete, dass die gesamte Familie Fisher-Wells unter die Lupe genommen werden würde. Doch ich hatte vor, meine eigene Lupe hervorzuziehen und zu prüfen, ob diese Schule meinen Sohn verdiente, ob sie wirklich ein solcher Bildungshimmel war oder nur ein Haufen Steine, der von seinem längst verblassten Ruf lebte.
    In der U-Bahn waren Plätze frei, ein Glück verheißendes Zeichen. Und an unserem Ziel ein paar Haltestellen weiter half mir ein älterer Mann (fast alle Männer unter vierzig würden einem eher ein Bein stellen), meinen Sohn und den Buggy auf die Straße zu bugsieren. Schnellen Schrittes schobich Henry die anderthalb Blocks bis zur Schule, kam atemlos und verschwitzt an, stellte den Buggy ab und fragte nach dem Weg zu dem Klassenzimmer, in dem die Vorschulkinder sich vorstellen sollten.
    »Und Sie sind?«, fragte der junge rothaarige Pförtner.
    »Fisher-Wells   – Henry und Talia.«
    Mit dem Tempo eines Gentlemans suchte er nach unseren Namen, fand sie und beschriftete dann per Hand für jeden von uns ein Namensschild. »Es geht in fünf Minuten los«, sagte er. »Den Flur hinunter   – die zweite Tür links.«
    Auf dem Weg dorthin, Henrys warme, runde Hand fest in der meinen, sog ich tief den Geruch von Zitronenöl ein, der der prächtigen Mahagonitäfelung entströmte, und sah, dass an den Anschlagbrettern Gedichte hingen. Ich blieb stehen und las einige der Haikus. »Blätter leblos jetzt   / Rascheln wie Tücher aus Gold.   / Man stirbt und ist tot.« Und noch eines von derselben Olivia Samson: »Ein Meer von Augen,   / Ohren und Geist. Doch warum   / Bin ich ganz allein?« Hoffentlich hat jemand diese aufstrebende Emily Dickinson zu einem Psychiater überwiesen, dachte ich.
    Aus dem Klasssenzimmer, auf das ich zusteuerte, hörte ich hohe kreischende Stimmen. Ich öffnete die Tür, und während ich noch dastand und mich nach einem Verantwortlichen umsah, kam ein kleiner Junge auf Henry zugerannt.
    »Henry!«, rief er. »Bauklötze!« Es war Dashiel Keaton. Jedes Mal, wenn ich diesen Jungen sah, war er noch hübscher   – unglaublich; auch wenn er an diesem Tag gekleidet war wie ein Buchhalter. Ich sah mich nach Xander oder Jamyang um, einer der beiden musste hier irgendwo sein. Stattdessen entdeckte ich Chloe, eine Vision in Rosa, die an ihrer Perlenkette fingerte und ganz am anderen Ende des Raums saß, wie gebannt über ›Clifford, der kleine rote Hund‹ gebeugt, so als würde sie darin das überraschende Ende ihrer eigenen Biografie lesen. Erst als ich vor ihr stand, sah sie auf.
    »Solltest du nicht im Büro sein?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte ich. »Du solltest dort sein.« Wir hatten den Tausch letzte Woche per E-Mail ausgemacht. Das hätte ich beim Leben von Henry geschworen.
    »Aber es ist mein üblicher freier Tag«, sagte sie vorwurfsvoll. »Ich würde das hier niemals versäumen.«
    Da hatte es wohl   – ich versuchte, milde zu sein   – ein Missverständnis gegeben. Vor einer guten halben Stunde hatte Eliot, unser Chef, erwartet, eine von uns beiden durch die Bürotür segeln zu sehen. Und ich war es, die den Ärger wieder ausbaden dürfte. Ihm war es egal, ob Chloe und ich Tage tauschten, solange nur ihr Hintern oder meiner den Schreibtischstuhl wärmte. Jetzt würde er jeden Moment anfangen, wie ein verlorener Elch zu brüllen (Und wer konnte es ihm verdenken?), dass er keinen Werbetexter für das Brainstorming heute Vormittag habe. Es würde mindestens elf Uhr sein, bis ich Henry bei der Tagesmutter abgegeben hätte, und dann müsste ich noch mit der U-Bahn ins Büro fahren. Bis dahin wäre der halbe Tag dahin.
    Es gab nur ein sofort wirksames Mittel gegen dieses Problem   – Handy ausschalten. Für Erklärungen war später noch Zeit. Ich zuckte die

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