Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Achseln und setzte mich.
»Schönes Tuch«, sagte Chloe, als eine Lehrerin in einem riesigen Pullover in die Hände klatschte.
»Kinder! Kinder!«, rief sie. »Ich möchte, dass ihr euch an einen der Tische setzt.« Alle potenziellen Schüler stürmten auf die Plätze, bis auf einen. Henry blieb versunken in der Spielecke hocken und baute ein Hochhaus. Die Lehrerin ging zu ihm, beugte sich runter und fragte freundlich: »Henry, willst du dich nicht auch zu den anderen setzen?« Er fügte seinem Bauwerk noch zwei weitere Stockwerke hinzu. »Und willst du nicht deine Jacke ausziehen?«
»Nein«, erklärte er.
Ich bin beschäftigt
, sollte das heißen. Er setzte noch einen großen Bauklotz obendrauf und schufetwas, worin ich deutlich einen Glockenturm erkannte. Ich stellte ihn mir darin vor, mit einem Gewehr in der Hand, wie er das umliegende Gelände bewachte.
»Wir haben alle unsere Aufgaben, und deine ist es, dich zu den anderen Kindern zu setzen.« Die Lehrerin klang geradezu aggressiv geduldig. Sie war sich natürlich bewusst, dass alle anwesenden Eltern gespannt darauf warteten, wie sie diesen aufsässigen Teilnehmer dazu bringen würde, sich an ihre Regeln zu halten.
Mein Sohn kniff die Augen zusammen und bedachte die Frau mit einem Blick tiefster Verachtung, den er mir hoffentlich niemals zuwerfen würde. »Nein,
danke «
, sagte er diesmal und wandte sich wieder den Bauklötzen zu. Vielleicht bekommt er ja zumindest für seine Höflichkeit Punkte, dachte ich.
»Henry.« Die Frau atmete hörbar ein und sah durch ihre dicke Brille auf ihn hinunter, als stünde ihr guter Ruf auf dem Spiel – was er tat. »So benehmen sich die Jungen und Mädchen an der Jackson Collegiate aber nicht.«
»Okay, okay. Scheiße«, rief Henry laut und haute mit einem wütenden Faustschlag die Bauklötze um. »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
Alle Kinder und Erwachsenen starrten ihn an, erstaunt über sein Vokabular, das, wie ich Henry zu erklären versucht hatte, strikt aufs Autofahren beschränkt sein sollte. Tom und ich benutzten dieses Wort, aber nur bei den seltenen Gelegenheiten, wenn wir ein Auto mieteten und über die öffentliche Zumutung schimpften, die sich Stadtverkehr nannte. Schweißflecken breiteten sich auf meiner kratzigen weißen Bluse aus, Schweißperlen sammelten sich an meinem Haaransatz. Es wurde mucksmäuschenstill im Raum – nur Dash, der Henry von jeher ehrfurchtsvoll bewunderte, sang fröhlich mit: »Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, eine Meise.« Chloe schnappte nach Luft, bevor sie mir einen finsteren Blick zuwarf.Ich zuckte schon wieder die Achseln und sagte lautlos: »Tut mir leid.«
Aber es tat mir gar nicht leid. Ich war überzeugt davon, dass sie mir zugesagt hatte, sie würde heute arbeiten.
Henry warf die Hände in die Luft und sah in begeisterte Kindergesichter. Gekicher, sogar von einigen Eltern, schlug meinem Superhelden entgegen. Wenn ein Dreijähriger Würde zeigen konnte, so tat Henry es, als er der Lehrerin endlich folgte.
Als sie ihn Dash gegenübersetzte, bemerkte ich, wie eine andere Lehrerin sich auf einem Klemmbrett Notizen machte –
Henry Fisher-Wells ließ seine ersten soziopathischen Tendenzen im Alter von drei Jahren erkennen,
vielleicht.
»Jetzt, Kinder«, sagte die Lehrerin, »wollt ihr bestimmt erst mal alle etwas essen.« Die Schreiberin von eben ging an ein Regal mit Tabletts und verwandelte sich in eine Kellnerin, die Graham-Cracker, Weintrauben und gewürfelten Cheddar verteilte. Die meisten Kinder nahmen sich anmutig ein oder zwei Stücke von allem. Dash zog die Nase kraus, sah Chloe an und nahm nichts. Henry, dessen Frühstück aus einem halben Erdnussbutter-Sandwich und einer Tüte Saft für unterwegs bestanden hatte, füllte beide Hände voll, ließ alles auf seinen Teller fallen und griff gleich noch einmal zu.
Dann brachten die Lehrerinnen Glaskrüge mit Apfelsaft an jeden Tisch. »Wer möchte anfangen?«, fragte eine von ihnen. Tom und ich hatten Henry zu Hause noch nie sein Glas selbst einschenken lassen. Die Lehrerin, diese Sadistin, drehte sich zu ihm um und fragte: »Wie wäre es mit dir, Henry?«
»Ja, Ma’am«, sagte er. Wieder ein Wort, das er definitiv nicht von mir gelernt hatte.
»Na dann mal los«, sagte sie.
Das werde ich dir heimzahlen, du Miststück.
»Kinder, Henry zeigt euch jetzt, wie man aus einem Krug einschenkt. Schauen wir … alle … zu.«
Er hob den Krug, der sicher schwer wie eine Hantel war,neigte die Tülle
Weitere Kostenlose Bücher